Wertschätzung bezeichnet allgemein eine positive Bewertung
eines anderen Menschen. Sie betrifft eher einen Menschen als Ganzes als
einzelne Taten. Spannend an der Wertschätzung ist, dass sie in unserer
Überflussgesellschaft zu einem Mangelgut zählt. Mangelnde Wertschätzung wird
überall beklagt, vor allem am Arbeitsplatz. Führungskräften muss man offenbar
beibringen, wie man Wertschätzung zeigt. Ist das nicht seltsam? Woher kommt
das?
[Es ist effizient, sich nicht dauernd um Probleme zu kümmern.]
Im Freundeskreis scheint es doch wunderbar zu klappen.Ist Wertschätzung vielleicht
zu hoch gegriffen? Würde ein einfaches Lob genügen? - Studien zeigen immer
wieder, dass Manager meinen, dass sie oft loben, Mitarbeitende hingegen fühlen
sich selten gelobt, als ob die Hälfte vom ausgesprochenen Lob systematisch in
einem schwarzen Loch verschwände. Dabei hätten zumindest jene Manager, die
selbst Kinder haben, es im Eltern-Kurs bereits lernen können: Die psychologisch
fundierten Spielanweisungen für das Loben von Kindern und von Mitarbeitenden
sehen nämlich verdächtig ähnlich aus. Spezifisch sollte es sein. Nicht einfach
„schöne Zeichnung“, sondern „diesen Vogel da hast Du schön gemalt“ oder dieser
„Hund sieht wirklich lustig aus“. Und dann sollte es zeitnah erfolgen. Der
gestern leer gegessene Teller interessiert heute keinen mehr. Und authentisch
sollte es sein. Also nichts loben, was man nicht wirklich gut findet. Das ist
dann für leistungsorientierte Menschen nicht ganz einfach. Besonders, weil man
der Versuchung widerstehen sollte, pädagogisch geschickt zu fragen „und diese Wolke,
willst Du die nicht fertig ausmahlen?“. Vor allem nicht, nachdem das Kind auf
das Lob für die Hundezeichnung geantwortet: „Ist gar kein Hund, ist eine
Katze.“
Was im Gegensatz zu Kindern bei Mitarbeitenden erschwerend
dazu kommt: Die Leistung einzuschätzen ist gar nicht einfach. Wenn Huber dieses
Jahr 20% mehr Umsatz gemacht hat in seiner Abteilung, dann war vielleicht Glück
dabei, wenn er 20% weniger gemacht hat war es vielleicht eine tolle Leistung,
weil es ohne seinen Einsatz noch wesentlich weniger gewesen wäre. Eine
Führungskraft fühlt sich zwar verantwortlich, diese Unterscheidung treffend
machen zu können, doch wer ehrlich ist, muss zugeben, dass die Faktenbasis für
eine fundierte Einschätzung oft nicht ausreicht. Zudem geschieht loben immer irgendwie
von oben nach unten und funktioniert nicht so richtig auf Augenhöhe.
Wäre Wertschätzung eben doch der richtige Ansatz? Manager
könnten anfangen, wertschätzende Interviews zu führen. Das sind Gespräche, in
denen es weder um Probleme noch Leistungsverbesserungen geht, sondern in denen
Mitarbeitende mit ihren Stärken und Erfolgen im Zentrum stehen – mögen es auch
relative Stärken und bescheidene Erfolge sein. Es geht darum, sich so kennen zu
lernen, dass die positiven Seiten eine Chance bekommen, wahrgenommen zu werden.
Vielleicht so: Warum hast Du Dich auf diesen Job damals eigentlich beworben,
was hat Dich fasziniert? Welche Deiner Stärken konntest Du bisher am besten
einbringen, wie hat das funktioniert? Was ist das, was Dich am meisten freut
bei der Arbeit? Was beflügelt oder energetisiert Dich? – Natürlich sollte das
Interesse authentisch sein – auf gelangweilte oder manipulierende Art gestellt
verfehlen solche Fragen ihre Wirkung. Aber authentisch zu sein ist eigentlich
nicht schwer. Was es dazu bräuchte, ist bloss ein Verständnis dafür, dass es
zur Rolle als gute Führungskraft gehört, Interesse für Positives zu zeigen. Und
zwar nicht nur in der Kaffeepause oder wenn alles andere erledigt ist. Diese
Denke ist der eigentliche Engpass. - Klar, Wertschätzung zu zeigen braucht
Zeit. Das lässt sich nicht einfach beschleunigen. Wir wissen aber auch, dass
wir damit im Grunde viel Zeit und Ärger sparen, weil danach Probleme gar nicht
erst auftauchen oder sich rascher lösen lassen.
Fazit: Es ist höchst effizient, sich nicht dauernd um Probleme zu
kümmern, sondern darum, was gut läuft. Es ist wirkungsvoll, sich nicht nur um
Statistiken, Strukturen und Strategien zu kümmern, sondern um die Menschen im
Unternehmen. Es ist professionell, ganz subjektiv zu erforschen wie weit es uns
möglich ist, diese Menschen zu mögen wie sie sind. Es ist sinnvoll, sie dabei
zu unterstützen zu sein, wer sie sind und zu werden, wer sie werden können. –
Wertschätzung ist der Schlüssel dazu, dass sich Menschsein und wirtschaftlicher
Erfolg nicht gegenseitig ausschliessen. Ist das nicht eigentlich auch schon
eine frohe Botschaft?
----------------- Das subjektive
Wirtschaftslexikon -----------------
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