Montag, 4. Januar 2021

Produkt 4.0

In den späten 80er-Jahren hatten Werber herausgefunden, dass alte Begriffe irgendwie neu wirken, wenn man unmittelbar danach die Zahl „2000“ schrieb. Die Erwähnung des noch fernen, kaum vorstellbaren neuen Jahrhunderts färbte etwas von seiner Magie ab. Heute ist es Mode geworden, bei beliebigen Begriffen „4.0“ hinten dran zu hängen, um einen ähnlichen Effekt zu bewirken. Im Fall von „Produkt 4.0“ ist es nicht viel anders. Es ist eine Schreibweise, die Ihre Aufmerksamkeit erwecken soll. Aber vielleicht in diesem Fall auf etwas, was unserer aller Aufmerksamkeit bedarf. Wirklich. Es geht um etwas Weltbewegendes in der Grössenordnung des Klimawandels. Lassen Sie mich das erklären.

Wir könnten „Produkt 1.0“ als Produkte verstehen, die im Rahmen der industriellen Revolution erstmals maschinell hergestellt worden sind. Kleider, Tische, Tonziegel, später Autos und Kühlschränke. Nichts davon war für sich grundlegend neu. Ein stückweit neu war nur, dass diese Produkte stets billiger und verfügbarer wurden.
„Produkt 2.0“ könnten wird jene Produkte nennen, die keine physischen Produkte sind, sondern industriell gefertigte Dienstleistungen. Öffentlicher Transport, Lieferservice und Wäschereien, später Reisebüros und online Shopping.
«Produkt 3.0» würde dann logischerweise Software bezeichnen. Software hat gegenüber den Produkten 1.0 und 2.0 die besondere Eigenschaft, dass sie kostenlos skalierbar ist: Ob eine Software auf einem einzigen PC läuft oder auf 10 Millionen macht finanziell keinen Unterschied. Digitalisierte Musik hat dieselbe Eigenschaft. Sobald man sie von der Tonträger-CD gelöst hat, ist sie im Grunde kostenlos millionenfach konsumierbar.

Nun also zum «Produkt 4.0». Man ahnt, dass nun «Social Media» ins Spiel kommen müssen. Man könnte meinen, es ginge dabei um Daten. Tatsächlich sind Amazon, Facebook und Google hinter unseren Daten her, aber die Daten allein sind völlig uninteressant. Interessant ist, was man mit den Daten tun kann, sofern man über gute Algorithmen verfügt: Nämlich Menschen manipulieren, ohne dass sie es merken. Nur ein bisschen zwar, aber wer eine Million Menschen dazu bringen, ein paar Dollar für etwas auszugeben, wird rasch reich. Dazu braucht es neben Daten und Algorithmen und vor allem eines: Aufmerksamkeit. Ein Gerät kann noch so viel über mich wissen, solange ich ihm keine Aufmerksamkeit schenke, hat es keine Macht übe mich. Bin ich hingegen süchtig, muss ich Facebook checken und mich zwangsläufig einer - kaum bemerkbaren - Manipulation aussetzen. Einer Manipulation, wohlbemerkt, die sich an Mächtigkeit und Professionalität kaum überbieten lässt. Tausende der brillantesten Programmierer*innen und Psycholog*innen arbeiten täglich daran, Nutzer*innen von Sozialen Netzwerken zu manipulieren. Sie wurden an Elite-Universitäten von den weltbesten Forscher*innen dazu ausgebildet. Und sie lernen täglich dazu. Sie programmieren Künstliche Intelligenzen, die ebenfalls täglich dazuzulernen. Ihre Kunden sind klar. Es sind Unternehmen, die für Ihre Produkte werben. Aber was ist nun genau das Produkt 4.0?

In der griechischen Mythologie gibt es die Sphinx, ein Monster, das zufällig vorbeigehende Menschen erwürgte und verschlang. Entgehen konnte dem sicheren Tod nur, wer ihr berühmtes Rätsel lösen konnte: «Welches Wesen geht am Morgen auf vier Beinen, am Mittag auf zwei und am Abend auf drei Beinen?» – Gar nicht so einfach, wenn man die Antwort nicht bereits kennt. Dieses Wesen ist der Mensch - mit den Tageszeiten sind die Lebensphasen gemeint, die Krabbelphase auf quasi vier Beinen, die Altersphase mit dem Stock als drittes Bein. Vom Monster befreiten konnte sich also nur, wer sich selbst in der seltsamen Geschichte erkannt hat. Die Moral von der Geschichte: Mensch, erkenne Dich selbst. Du bist das Produkt 4.0.

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