Samstag, 5. Dezember 2015

Geschenk



Fast jedes Jahr um die Weihnachtszeit findet sich irgendwo ein Artikel in der Zeitung, in der ein Ökonom uns die riesige Verschwendung durch Geschenke vorrechnet. Die Schlussfolgerung, die gezogen wird, ist jeweils die, dass man lieber Geld schenken soll. - Warum wird mir als Ökonom, bei diesem Gedanken nicht wirklich warm ums Herz?

[Manchmal geht es einfach darum, Freude und Dankbarkeit auszudrücken.]

Die ökonomische Argumentation  geht so: Hätte der Beschenkte das Geld erhalten, hätte er sich damit fast sicher etwas anderes gekauft, das ihm mehr Nutzen gestiftet, also mehr Freude bereitet hätte. Der Beschenkte wäre also mit Geld immer besser dran, ausser man hätte seinen Geschmack gerade getroffen, dann spielt es keine Rolle. Folglich wären wir als Gesellschaft besser dran, wenn wir einander Geld schenken würden. So. Und wie argumentiert man jetzt dagegen - aber nicht aus dem Bauch heraus, sondern bitte schön rational und ökonomisch? - Dieses Rätsel kommt mir vor wie eine jener Aufgaben, bei denen man Streichhölzer umlegen muss, um eine neue Form zu bilden: Ich weiss, dass es irgendwie geht, aber ich komm‘ einfach nicht drauf … oder einfach erst nach einer Weile des Umherprobierens, des Weglegens und des Nochmalversuchens.
Was mich an der Schenken-Sie-lieber-Geld-Story fasziniert, ist unter anderem, dass sich Ökonomen weitgehend einig sind, dass es gar keine Geschenke gibt: Es gibt nichts wirklich gratis im Leben. „There ain’t no such thing as a free lunch” oder „Opportunitätskosten“ heisst das im Fachjargon. Was als Geschenk daherkommt, hat immer auch ein Preisschild. Wenn ich eine Ferienreise nach Korfu geschenkt bekomme, muss ich dafür auf eine Ferienreise nach Südfrankreich verzichten, die ich sonst gemacht hätte. Zugegeben, diese ist weniger attraktiv, aber es ist eben doch ein Verzicht. Und von den Verpflichtungen haben wir jetzt noch gar nicht gesprochen, welche ich bei Geschenken zuweilen eingehe, indem ich sie annehme. Selbst dann, wenn ich eigentlich gar keine Chance hatte, sie auszuschlagen. Etwa die scheussliche Vase aufstellen zu müssen, jedes Mal wenn das betreffende Familienmitglied zu Besuch kommt. In diesem Spezialfall wäre man vielleicht tatsächlich besser dran gewesen mit Geld. - Zeigt das nicht einfach, dass Ökonomen nur ausnahmsweise recht haben, aber im Grunde vom Schenken nichts verstehen?
Der Punkt ist, aus ökonomischer Warte geht es immer um den Austausch von Gütern. Aber geht es im wirklichen Leben nicht auch manchmal darum, ehrliche Freude und Dankbarkeit auszudrücken? – Die empirischen Befunde sind klar: Es tut Menschen gut, wenn sie dankbar sind und wenn sie diese Dankbarkeit zeigen. Und es tut Menschen gut, wenn andere ihnen sagen oder zeigen: Ich mag Dich, Du bist mir wichtig. Es gibt sogar glaubwürdige Hinweise, dass Menschen, die besondere Wertschätzung erhalten, länger leben. Um es in die Sprache der Ökonomen zu übersetzen: Solche symbolische Handlungen haben einen ganz konkreten „Nutzen“. Und zwar auch dann, oder gerade weil man sie nicht kaufen kann. Unsere Gesellschaft wäre folglich wesentlich besser dran, wenn es mehr solche symbolische Handlungen gäbe. Wer klein anfangen möchte, kann das mit einem Lächeln tun, das kostet bekanntlich nichts. Da würden selbst die nüchternsten Ökonomen zustimmen. Aber die einseitige Betrachtung der Güterwelt, die einseitige „Erfolgsmessung“ mit Gewinn und Bruttosozialprodukt macht blind für Dinge, die wirklich zählen.
Wenn wir es also schaffen, trotz Sonderangeboten und Weihnachtsrummel mit einem Geschenk die eigentliche Mitteilung zu machen, eine frohe Botschaft zu überbringen … eine lebendige Botschaft; eine, die jung ist und gleichzeitig so alt wie die Menschheit: Schön dass es Dich gibt!  … das wäre dann wirklich ein Geschenk.
Fröhliche Weihnacht!

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