Fast jedes Jahr um die Weihnachtszeit findet sich irgendwo ein
Artikel in der Zeitung, in der ein Ökonom uns die riesige Verschwendung durch Geschenke vorrechnet. Die Schlussfolgerung, die gezogen wird, ist jeweils die,
dass man lieber Geld schenken soll. - Warum wird mir als Ökonom, bei diesem
Gedanken nicht wirklich warm ums Herz?
[Manchmal
geht es einfach darum, Freude und Dankbarkeit auszudrücken.]
Die ökonomische Argumentation geht so: Hätte der Beschenkte das Geld
erhalten, hätte er sich damit fast sicher etwas anderes gekauft, das ihm mehr Nutzen
gestiftet, also mehr Freude bereitet hätte. Der Beschenkte wäre also mit Geld immer
besser dran, ausser man hätte seinen Geschmack gerade getroffen, dann spielt es
keine Rolle. Folglich wären wir als Gesellschaft besser dran, wenn wir einander
Geld schenken würden. So. Und wie argumentiert man jetzt dagegen - aber nicht
aus dem Bauch heraus, sondern bitte schön rational und ökonomisch? - Dieses
Rätsel kommt mir vor wie eine jener Aufgaben, bei denen man Streichhölzer
umlegen muss, um eine neue Form zu bilden: Ich weiss, dass es irgendwie geht,
aber ich komm‘ einfach nicht drauf … oder einfach erst nach einer Weile des
Umherprobierens, des Weglegens und des Nochmalversuchens.
Was mich an der Schenken-Sie-lieber-Geld-Story fasziniert,
ist unter anderem, dass sich Ökonomen weitgehend einig sind, dass es gar keine
Geschenke gibt: Es gibt nichts wirklich gratis im Leben. „There ain’t no such thing as a free lunch”
oder „Opportunitätskosten“ heisst das im Fachjargon. Was als Geschenk daherkommt,
hat immer auch ein Preisschild. Wenn ich eine Ferienreise nach Korfu geschenkt
bekomme, muss ich dafür auf eine Ferienreise nach Südfrankreich verzichten, die
ich sonst gemacht hätte. Zugegeben, diese ist weniger attraktiv, aber es ist
eben doch ein Verzicht. Und von den Verpflichtungen haben wir jetzt noch gar
nicht gesprochen, welche ich bei Geschenken zuweilen eingehe, indem ich sie
annehme. Selbst dann, wenn ich eigentlich gar keine Chance hatte, sie
auszuschlagen. Etwa die scheussliche Vase aufstellen zu müssen, jedes Mal wenn
das betreffende Familienmitglied zu Besuch kommt. In diesem Spezialfall wäre
man vielleicht tatsächlich besser dran gewesen mit Geld. - Zeigt das nicht
einfach, dass Ökonomen nur ausnahmsweise recht haben, aber im Grunde vom Schenken
nichts verstehen?
Der Punkt ist, aus ökonomischer Warte geht es immer um den
Austausch von Gütern. Aber geht es im wirklichen Leben nicht auch manchmal
darum, ehrliche Freude und Dankbarkeit auszudrücken? – Die empirischen Befunde
sind klar: Es tut Menschen gut, wenn sie dankbar sind und wenn sie diese
Dankbarkeit zeigen. Und es tut Menschen gut, wenn andere ihnen sagen oder
zeigen: Ich mag Dich, Du bist mir wichtig. Es gibt sogar glaubwürdige Hinweise,
dass Menschen, die besondere Wertschätzung erhalten, länger leben. Um es in die
Sprache der Ökonomen zu übersetzen: Solche symbolische Handlungen haben einen
ganz konkreten „Nutzen“. Und zwar auch dann, oder gerade weil man sie nicht
kaufen kann. Unsere Gesellschaft wäre folglich wesentlich besser dran, wenn es
mehr solche symbolische Handlungen gäbe. Wer klein anfangen möchte, kann das
mit einem Lächeln tun, das kostet bekanntlich nichts. Da würden selbst die
nüchternsten Ökonomen zustimmen. Aber die einseitige Betrachtung der Güterwelt,
die einseitige „Erfolgsmessung“ mit Gewinn und Bruttosozialprodukt macht blind
für Dinge, die wirklich zählen.
Wenn wir es also schaffen, trotz Sonderangeboten und Weihnachtsrummel
mit einem Geschenk die eigentliche Mitteilung zu machen, eine frohe Botschaft
zu überbringen … eine lebendige Botschaft; eine, die jung ist und gleichzeitig so
alt wie die Menschheit: Schön dass es Dich gibt! … das wäre dann wirklich ein Geschenk.
Fröhliche Weihnacht!
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