Mittwoch, 8. März 2023

Ehrlichkeit

 

„Haben Sie in der Schule bei Prüfungen gemogelt?“ Das ist eine von vielen Fragen, die eine Zeitung wöchentlich wiederkehrend portraitierten Führungskräften gestellt hat. Natürlich habe ich mir überlegt, was ich antworten würde. – „Nein.“ klingt nicht schlecht, aber lässt einen als Streber dastehen, als Spassbremse oder als Perfektionist, der zu unbedeutenden Jugendverfehlungen nicht stehen kann. – „Ja, klar.“ Da steht man als unehrlicher Mensch da und ist obendrein auch noch stolz drauf. Zumindest scheint es einem nicht einmal peinlich zu sein, da sieht man auch nicht gut aus.  – „Weiss nicht, ist lange her…?“ Da bist Du ertappt und willst es nicht einmal zugeben, das ist wohl das Mieseste! – Eine gute Antwort auf diese Frage ist gar nicht so einfach zu finden. Eine der interessantesten Antworten, die ich je gelesen habe, ist die: „Ja, aber nur bei Prüfungen, die ich unfair fand.“ Da wird das eigene Mogeln zugegeben, aber in einen Kontext der Unfairness gestellt, wo man dann sich dann doch noch moralisch sauber aus der Affäre ziehen kann. Wow, was für ein diplomatischer Kunstgriff! Dieser Satz gehört ins Poesiealbum von jedem Kommunikationsberater. - Wobei, wenn ich mir’s genau überlege: So richtig gefällt mir auch diese Antwort nicht. Sie erinnert mich doch irgendwie an Bill Clintons kommunikativen Kunstgriff: «Ja, ich habe am Joint gezogen, aber ich habe nicht inhaliert.» Das war einfach nur lachhaft.

Eine wirklich authentisch klingende und überzeugende Antwort habe ich nie gelesen. Ist sie überhaupt möglich? Sie ginge vielleicht so: «Wenn ich gemogelt hätte, wäre ich nicht stolz darauf und würde es vielleicht in privaten Rahmen zugeben, aber eher nicht in einem öffentlichen Interview.» Oder vielleicht besser so: «Ja, ich habe manchmal gemogelt. Einmal bin ich erwischt worden. Es war mir super peinlich! Aber auch wenn ich nicht erwischt worden bin, hatte ich danach nie ein gutes Gefühl - und so habe ich etwas fürs Leben gelernt.»

Ehrlichkeit ist toll. Aber bin ich sicher, ob sich Ehrlichkeit im Geschäftsleben in jedem einzelnen Fall auszahlt? So ein kleines bisschen Schummeln könnte da und dort schon vorteilhaft sein. Natürlich nur, wenn man es gut macht, und dafür muss man wohl etwas Übung haben. Studien weisen darauf hin, dass geringfügiges Mogeln weit verbreitet ist, krasse Fälle hingegen selten sind. Wer nicht gut lügen kann hat aber auch Vorteile. Wer leicht errötet wird als vertrauenswürdig erkannt und kann daher öfter attraktive Kooperationen eingehen als andere. Und obendrein noch das: Ehrlichere Menschen sind gesünder. Das finde ich wirklich bemerkenswert. Es ist also nicht einfach so, dass man als ehrlicher Mensch wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen hat. Es ist eher so, als ob eine höhere Macht gäbe, die einen für die Ehrlichkeit belohnen würde - nicht im Jenseits, sondern im Diesseits. Und zwar durch bessere Zusammenarbeit und eine messbar bessere Gesundheit. Und letztere ist bekanntlich unbezahlbar.

Ich finde es immer wieder ganz besonders faszinierende Momente, wenn aus nüchterner Forschung philosophische Perspektiven erwachsen. Ehrlich. 


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