Können Sie die sieben Weltwunder aufzählen? Ich jedenfalls
nicht. Nicht vollständig. Gut, die Pyramiden von Gizeh, klar. Und dann sind die
sagenumwobenen «hängenden Gärten von Babylon», von denen bis heute niemand
weiss, wie sie damals genau ausgesehen haben. Gerade deshalb üben sie eine
Faszination auf mich aus. Halt! War da nicht noch eine Christus-Statue auf
einem Berg in Brasilien? – Mir hat nie eingeleuchtet, warum sie ein Wunder sein
soll. Aber vielleicht nur, weil ich sie nie in echt gesehen habe. Und … gehört
eigentlich die Chinesische Mauer dazu? Ich bin mir nicht sicher, aber ich
finde, die ist echt krass. Ich war mal dort und obwohl man da mit hunderten von
anderen Touristen durchgeschleust und abgefertigt wird, fand ich die Mauer extrem
eindrücklich. Und dann … dann fällt mir nichts mehr ein.
Mein Schwiegervater ist längst pensioniert. Er kann immer noch nicht glauben, dass es mit rechten Dingen zu geht, wenn ich in meinem Smartphone etwas eintippe und auf seinem Tablett innert Sekunden der gleiche Text erscheint. WhatsApp, und überhaut das Internet, ist für ihn ein grosses Wunder. Und wenn ich es mir recht überlege, können wir heute Dinge tun, von denen wohl alle Leute vor 200 Jahren überzeugt waren, es könne nur durch ein Wunder geschehen: Sich mit Menschen unterhalten, die gar nicht hier sind. Sich innert einer Stunde von Paris nach London durch die Luft bewegen. Bilder sehen von Orten, sie weit weg sind. Die Antworten auf fast alle Fragen der Welt in einem Kästchen bei sich tragen, das nicht grösser ist als eine Handfläche. Ist digitale Technologie vielleicht ein Weltwunder, nur haben wir es nicht bemerkt? Einfach, weil das Wunder nicht über Nacht, sondern über die Jahre geschehen ist hat?
Was ist eigentlich ganz grundsätzlich ein Weltwunder? – Es muss etwas ganz Besonderes sein. Etwas, das man sich nicht so recht erklären kann. Und selbst wenn man eine gute Erklärung kennt, nicht so recht glauben kann, dass diese wirklich stimmt. Etwas, worüber man staunen kann, immer wieder von Neuem. Etwas, das nicht nur Naivlinge und Anfänger erstaunt, sondern auch Expertinnen und Fachleute, die sich schon jahrelang damit befassen. Etwas, das unabhängig davon, aus welcher Kultur man stammt beeindruckend ist, egal welche politische Couleur, welche Religion, welche Sprache, welche Kaste oder soziale Schicht. Gib es dafür universelle Kriterien? Vielleicht ist es hilfreich, wenn etwas besonders schön oder besonders gross ist. Aber dann: Schönheit liegt oft im Auge der Betrachtenden und Grösse allein ist vielleicht auch etwas banal. Universelle Kriterien zu finden ist gar nicht so einfach.
Vielleicht suche ich auch zu weit. Vielleicht ist alles viel einfacher und man muss nur anders darüber nachdenken. Wenn Technologie kein Weltwunder ist, dann ist es möglicherweise einfach das, was übrigbleibt, wenn wir alle digitale Technologie beiseitelassen:
Sehen, hören, riechen, schmecken, spüren und lachen.
Ach ja, und lieben.
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