Mitgefühl haben heisst Anteil nehmen am Leid anderer
Menschen. Die Weihnachtszeit erinnert uns jährlich daran. Obwohl die
Weihnachtszeit in vielen Branchen herausragend wichtig ist, kommt dem Mitgefühl
in der Betriebswirtschaftslehre keine nennenswerte Bedeutung zu. Klar ist es
angenehm, oder im Einzelfall sogar wichtig, dass Mitarbeitende jemanden im
Betrieb zu kennen, der Anteil nimmt, wenn sie gerade einen emotionalen Taucher
erlebt haben.
[Mitfühlende leiden daran, nicht helfen zu können.]
Aber thematisiert, organisiert oder gar gemanagt wird das
Mitgefühl nicht. Das scheint auch nicht nötig, denn meist übernehmen Personen
mit Sekretariatsfunktion diese Rolle spontan, und dies obwohl sie dafür
kaum wertgeschätzt werden, jedenfalls nicht finanziell. - Kann es also sein,
dass Mitgefühl betriebswirtschaftlich irrelevant ist? Nein? - Ein zweiter Blick
auf diese Frage ist durchaus gerechtfertigt, denn in der Psychologie gilt
Mitgefühl als eine zentrale Voraussetzung für Soziale Intelligenz. Mitgefühl
ist notwendig, um auf andere Personen Einfluss zu nehmen, sei es einfach als
Freund, als Kollegin oder eben auch als Führungskraft. So gesehen müsste
Mitgefühl als eine zentrale Führungskompetenz gelten.
Statt Mitgefühl sagen Manager lieber Empathie. Obwohl Empathie
und Mitgefühl oft mit der gleichen Bedeutung verwendet werden, klingt Empathie einfach
professioneller und wissenschaftlicher. Und zudem könnte sich Empathie auch auf
positive Gefühle beziehen, während Mitgefühl tendenziell negative Emotionen bei
der anderen Person voraussetzt, das nimmt der Sache etwas die Schwere. Empathie
kann definiert werden als die Fähigkeit sich in andere einzufühlen, also ihre
Empfindungen, Emotionen und Gedanken zu erkennen und zu verstehen und dabei die
Motive und die Persönlichkeitsmerkmale der anderen Person zu berücksichtigen. Egal
ob wir aber von Mitgefühl oder Empathie sprechen, entscheidend scheint mir
weniger die Fähigkeit als die Bereitschaft zu sein, sich auf dieses Einfühlen einzulassen.
Oder anders gesagt: Wohl sind wir alle einigermassen empathiefähig, wir können aber
diese Fähigkeit ganz gut unterdrücken. Und das tun wir auch regelmässig. Denn
mitzufühlen heisst oft auch mitzuleiden und das kann sehr anstrengend sein,
mitunter bis zum Kollaps. Nicht umsonst sind in Pflege- und Gesundheitsberufen Symptome
von emotionaler Erschöpfung bis zum Burnout häufiger anzutreffen als in anderen
Berufen. Aber das Thema beschränkt sich nicht auf eine Branche. Jeder Manager,
der schon Mitarbeitende entlassen musste, kann mitreden. Man muss sich eben
abgrenzen. Anders ist es kaum auszuhalten. Die gängige Methode ist, sich zu
verhärten, sich einzureden, es ginge einen nichts an und sich danach abzulenken.
Das funktioniert eigentlich ganz gut, aber die Abspaltung der Gefühle hat ihren
Preis. Die Frage lautet also: Können wir emotional präsent bleiben, ohne
auszubrennen?
Ja, das geht. Als empathische Wesen verstehen und spüren wir
nicht nur, wie sich andere fühlen, sondern wir erleben auch einen
Handlungsimpuls. Wir leiden nicht hauptsächlich, weil wir das Leid des anderen mitfühlen,
sondern weil wir nichts dagegen tun können. Wir leiden an unserem unerfüllbaren
Handlungsimpuls, also an Hilflosigkeit, Frustration, Abwehr, Entmutigung und
Vermeidung. Meistens können wir tatsächlich nichts tun, manchmal könnten wir schon,
aber unsere Hilfe wird nicht angenommen. Wie auch immer, der unerlöste
Handlungsimpuls ist entscheidend dafür, ob wir beim Mitfühlen auch mitleiden. Forschungsresultate
lassen die Vermutung zu, dass Mitgefühl ohne
Handlungsimpuls nicht zur Erschöpfung führt und viel eher hilfreiche
Geisteszustände aktiviert wie Mut, Verbundenheit oder Hoffnung. Wohl darum wird
diese Art des Mitgefühls von leidenden Personen oft als hilfreicher empfunden.
Ist solches lernbar? Ist es möglich zu sehen, wie es
jemandem schlecht geht und dann nicht selbst zu leiden, weil man nicht helfen
kann? Soll man das überhaupt wollen, oder wäre das nicht hartherzig? – Ja, das
ist lernbar; nein, es ist nicht hartherzig. Denn um am Handlungsimpuls nicht zu
leiden, ist es unnötig, überhaupt keinen zu verspüren. Es genügt zu merken, wenn
man einen Handlungsimpuls hat, dass dieser in der aktuellen Situation nicht
hilfreich ist. Es geht darum, tief im Bauch unten zu verstehen, dass es einfach
zum Leben gehört, manchmal hilflos zu sein und mit dieser unangenehmen Tatsache
in Frieden zu kommen. Wer das schafft, kann Mitgefühl so zum Ausdruck bringen,
dass es andere weiterbringt und ohne sich selbst dabei zu erschöpfen. Möge das
gelingen. Wenn nicht Ihrem Vorgesetzten, so dann Ihnen selbst. Fröhliche Weihnachtszeit.
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Tagung zu Achtsamkeit in Organisationen am 16. Oktober in Bern.
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