Donnerstag, 20. Mai 2021

Loben

Loben ist eine Kunst. Oder ist es doch ganz einfach? Die Forschung spricht eher dafür, dass es eine Kunst sein könnte. Nicht, dass diese Frage direkt untersucht worden wäre. Aber regelmässig stellt sich heraus, dass Manager meinen, dass sie ihre Mitarbeitenden kräftig loben, während die Mitarbeitenden herzlich wenig davon mitgekommen. Das meiste vom gespendeten Lob scheint wie magisch zu verdunsten, bevor es die vertrockneten Seelen der Mitarbeitenden erreicht.

Um mir selbst den wissenschaftlichen Befund zu erklären, stelle ich mir den Divisionsleiter Kevin vor. An einer Sitzung sagt Kevin: «Wieder mal ein Spitzenresultat dieses Jahr, Arthur! Du hast dich selbst übertroffen: 7,3% besser als letztes Jahr und glatte 9,8% besser als die zweitbeste Abteilung dieses Jahr. Das soll Dir erst mal einer nachmachen. Du bist ein ganz cleveres Bürschchen. Wirklich  hervorragend. Gut gemacht. Weiter so!» Als Kevin dieses Lob ausspricht, ist er sich sicher, dass jeder andere hier im Raum dieses Lob von ihm hören möchte. Er ist sich sicher, dass er in diesem Moment alles richtig macht. Nur der Key Account Manager Arthur, dem das Lob gilt, sieht nicht wirklich glücklich aus. Er blickt auf den Boden, er schaut prüfend in die Runde und lächelt dann etwas verkniffen. Kevin bekommt das vor lauter Selbstzufriedenheit nur schemenhaft mit, und denkt: «Introvertiert, dieser Arthur – keine Ahnung, wie so einer immer so gute Resultate liefert», bevor er zum nächsten Traktandum übergeht. Ein paar Tage später ist Kevin in einer Management-Weiterbildung und als es um Mitarbeitermotivation geht, sagt er: „Loben ist für mich selbstverständlich. Mache ich immer. Aber manche Mitarbeitenden sind einfach wenig dankbar, das muss man auch mal sagen. Man lobt und lobt, wie es im Buche steht. In Öffentlichkeit. Mit Blickkontakt. Mit Schulterklopfen. Mit differenzierten und konkreten Beobachtungen. Aber manche scheinen es nicht zu mögen. Es ist ihnen vielleicht peinlich, keine Ahnung, aber Hauptsache die anderen kriegen mit, dass in meiner Abteilung gute Leistungen anerkannt werden. Dann bewirkt es wenigstens bei den übrigen etwas.“

Würde man Kevin fragen, ob er für die herausragenden Leistungen seiner Mitarbeitenden dankbar sei, würde er vielleicht etwas irritiert blicken und dann sagen: «Doch, natürlich bin ich dankbar. Ohne diese Leistungen würde es hier ganz anders aussehen. Allerdings bezahlen wir auch gute Löhne und dicke Boni. Da kann ich eine Spitzenleistung erwarten.»

Und könnte man in Arturs Hirn hineinhören, würden man vielleicht folgendes hören: «Dein selbstgefälliges joviales Getue geht mir auf die Nerven. Ich gebe jedes Jahr alles. Auch in den Jahren, in denen es sich nicht so auszahlt wie heuer. Du hast keine Ahnung, was ich getan habe und es interessiert Dich einen Scheiss. Dich interessieren nur die Zahlen. Danke, die kann ich selbst lesen. Die ganze Loberei ist ein Ritual für die Abteilung und hat nichts mit mir zu tun.»

Und dann würde man vielleicht den Unterschied von Loben und Wertschätzen klarer erkennen. Wertschätzen passiert auf Augenhöhe. Und es setzt persönliches Interesse voraus. Und es bezieht sich eher auf die Anstrengung als auf das Resultat. Es basiert nicht auf Überlegenheit, sondern auf Dankbarkeit. Und Dankbarkeit ist lernbar. Selbst für einen wie Kevin, sofern er es denn lernen möchte. Wäre Kevin mein Vorgesetzter, so kann ich mit Sicherheit sagen, ich hätte grössten Respekt, wenn er es nur schon ernsthaft versuchen würde. Ich weiss, dass es nicht einfach ist und würde im Gegenzug versuchen, nicht nur Resultate, sondern jede Anstrengung zu würdigen.

 


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Übrigens: Loben von Intelligenz verfehlt die Wirkung, loben von Anstrengung nicht. Das Anerkennen von Stärken auch nicht. Wer mehr wissen möchte, kann sich hier schlau machen:

Praxishandbuch Positiv Führen SKV 

Fachkurs Positive Leadership BFH


 

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