Sonntag, 8. März 2020

Whywashing

„Whywashing“ ist ein Modebegriff, der aus den USA zu uns herüberschwappt. Er bezeichnet den missbräuchlichen Einsatz eines höheren Zwecks, um ein positives öffentliches Image zu erreichen. Es ist eine Abwandlung des eher bekannten «Greenwashing», was bedeutet, dass man eigene Produkte oder das ganze Unternehmen als möglichst «grün», also so umweltfreundlich wie möglich präsentiert.

 [So viel Selbstlosigkeit! Mir kommen die Tränen!]

Im Falle des «Whywashings» stellt man das Unternehmen als «sinnvoller» dar als es ist, man lässt es so aussehen, als diene es in erster Linie einem selbstlosen, höheren Zweck. Selbstverständlich tut man solches, ohne einfach platt zu lügen, sofern das möglich ist … aber meistens ist es schwierig und dann geht es auch so.
Dass der Mensch ein nach Sinn strebendes Wesen ist, ist längst bekannt. Aktuelle Forschungen der Positiven Psychologie haben deutlich gezeigt, dass Sinn - oder eben ein höherer Zweck - ein mächtiger Treiber ist für gute Leitungen von Mitarbeitenden, insbesondere in kreativen Berufen. Ebenso bei Teamarbeit, denn da versagen traditionelle Anreize, weil sich die Gesamtleistung schlecht auf einzelne Beiträge zurückführen lässt. Es ist nun nichts dagegen einzuwenden, wenn Führungskräfte mit Mitarbeitenden darüber zu sprechen, worin diese den höheren Sinn ihrer Arbeit sehen und wenn sie gelegentlich darauf Bezug nehmen. Im Gegenteil, das ist eine gute Sache. Es fördert nämlich gleichermassen die Arbeitsleistung wie die Arbeits­zufriedenheit.
Nun gibt es aber eben auch missbräuchliche Praktiken. Im Zeitalter des Fachkräftemangels ist zu befürchten, dass Missbräuche nicht allzu rasch verschwinden, selbst wenn sie nicht wirken. Darum hier eine kleine Typologie des Schwindelns mit der Sinnhaftigkeit.
1 ) Mitgefühl predigen und egoistisch Handeln: Ein sinnorientiertes Unternehmen will ein höheres Ziel verfolgen.  Da passen hohe Boni für Manager nicht in Bild. - Sie passen im Grunde auch bei rein profitorientierten Unternehmen nicht ins Bild, da sie viel kosten, aber kaum wirksam sind, wie Studien um Studien belegen, aber das ist eine andere Geschichte.
2) Sinn-motivierte Leute rekrutieren, diese aber dann auf Umsatz trimmen: Auf dem hart umkämpften Arbeitsmarkt geben sich Unternehmen gerne als sinnstiftende Organisationen. Das zieht junge und motivierte Menschen an. Worauf es dann aber tatsächlich ankommt, wenn man mal eingestellt ist, ist eine andere Frage. In sinnorientierten Unternehmen werden Umsatz und Gewinn stets als notwendig, aber keineswegs als hinreichend betrachtet.
3) Sinn als Schönwetter-Strategie: Ein hehres Ziel wird wohl verfolgt, aber sobald es finanzielle Schwierigkeiten gibt, ist davon nicht mehr viel übrig. In der Krise erst zeigt sich, wer es ernst meint.
4) Sinn als Privileg: Projektleitende und höhere Angestellte können gut in Kontakt mit dem höheren Zweck einer Unternehmung gebracht werden, wenn diese sich eine entsprechende Strategie auf die Fahne schreibt. Aber was ist mit den Mitarbeitenden in der Fabrikhalle, im Call Center und in der Versandabteilung? Sinn, der nur als Privileg für höhere Mitarbeitende gelebt wird, ist wenig sinnvoll.
5) Sinn als heisse Luft: Einem höheren Zweck zu dienen klingt gut. Aber was ist der konkrete Beitrag? Wie gross ist er? Wer hier nur nebulöse Antworten geben kann, wie zum Beispiel „we  create a better world“, missbraucht den höheren Zweck. Sinnorientierte Unternehmen messen den Beitrag zu dem Ziel, das sie anstreben auf verbindliche Art. Und sie sind offen für bessere Messmethoden, selbst wenn diese sie weniger erfolgreich aussehen lassen.
Was ich mich manchmal frage ist, was der höhere Sinn des Kolumnenschreibens ist. Kann man damit die Welt besser machen? Oder lustiger? Oder wenigstens einen Hauch tiefsinniger? Vielleicht sind die Gründe fürs Scheiben einer Kolumne aber doch banaler und weniger hehr als ich wahrhaben möchte. Wenn ich mir dann trotzdem Sinnhaftigkeit einrede, dann könnte man es wohl «Whyshing» nennen, aber in diesem Fall wäre es einfach guter alter Selbstbetrug.

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