Ein Modell ist eine Vereinfachung der Realität. Da die Welt immer komplexer wird und wir immer mehr Mühe haben, sie zu verstehen, kommt den Modellen eine entscheidende Bedeutung zu: Sie erklären uns die Welt. Allerdings hat das seine Probleme und Grenzen. Aber fangen wir beim Positiven an: Ein gutes Modell kann ganz schön praktisch sein.
[Intuition funktioniert schlechter, wenn man nachdenkt.]
Als Jugendlicher habe ich den
Motor meines Mofas auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt. Diese
Erfahrung diente mir später, als ich mit einem „Döschwo“ eine Panne hatte. Ich
blickte unter die Motorhaube und suchte nach Dingen, die irgendwie bekannt
ausschauten. Dabei erkannte ich, dass ein Zündkerzenstecker lose war. Heute, wenn
etwas nicht funktioniert, schaue ich immer noch unter die Motorhaube, aber es
ist bloss eine aussichtslose Gewohnheit, denn ich würde kaum mehr selber Hand
anlegen. Es ist alles zu komplex und vermutlich ohne Computeranalyse und
Spezialwerkzeug nicht zu bewältigen.
Diese Geschichte ist nun selbst wiederum eine Vereinfachung
der Aussage, dass die Nützlichkeit von Modellen langsam an Grenzen stösst.
Zugegeben, damit wird die Sache etwas abstrakt, aber genau darum geht es. Leider
sind nicht alle Modelle so konkret wie ein Mofamotor. Die meisten Modelle sind abstrakt,
jedenfalls Management Modelle. Damit das Abstrakte dann doch irgendwie fassbar
wird, lässt man sich etwas einfallen. Beliebt sind Vierfelder-Schemen, die sind
einigermassen überschaubar. Beliebt sind auch griechische-Tempel-Darstellungen
mit einem Fundament, drei oder vier Säulen und einem Dach. Oft werden auch
Dreiecke verwendet, Kreis- und Kuchengrafiken oder dann Bälle und Pfeile, die
symmetrisch angeordnet werden. Damit wirkt immer alles einleuchtend, rund und
ganz. Die Wahrheit ist jedoch selten rund und ganz. Sie ist eher wie ein menschlicher
Körper: Scheinbar fest, mehrheitlich jedoch flüssig und zwischendurch hat es Schleim
und manchmal etwas Krümel.
Wenn ich mit erfolgreichen Führungskräften spreche, dann
fällt mir immer wieder auf, dass diese meist selbst nicht wissen, wie die Dinge
genau zusammenhängen. Die einen verstecken dieses Unwissen und verpacken ihre
Geschichte als eigene Kompetenz, andere präsentieren überaus simple Erklärungen
und wieder andere stehen einfach zu ihrem Nichtwissen. Zumindest bei den
letzten beiden Kategorien wundert man sich ob der Häufung glücklicher Zufälle
und man könnte geneigt sein, zu denken: Der Kerl will mir sein Geheimrezept
nicht verraten! Viel wahrscheinlicher ist, dass sie alle ihr eigenes
Erfolgsrezept nicht kennen. Wissen wird überschätzt. Aber das Entscheidende, „das
Gespür“ für das Richtige zu haben, ist nicht lernbar. Oder doch?
Die Forschung hat sich in den letzten Jahren um das „Gespür“
bemüht und kann heute ein paar Dinge dazu sagen. Etwa dies: Intuition
funktioniert besser, wenn man sie mit sehr vielen Erfahrungen füttert. Und sie
funktioniert schlechter, wenn man mehr nachdenkt. Sie haben richtig gelesen:
Nachdenken ist der Intuition oft hinderlich. Gefragt, welches Buch das bessere
sei, ein schweres und ein leichtes stehen zur Wahl, sagen die meisten, dass sie
es nicht wissen, sofern die Einbände abgedeckt sind und man sonst nichts über
die Bücher weiss. Sobald man aber Informationen über die Bücher hat, werden
Gedankengebäude aufgebaut und man findet scheinbar gute Gründe, das schwerere
Buch für das objektiv bessere zu halten. – Nicht-Nachdenken ist also eine wichtige
Qualität, die es zu fördern gälte; etwas, das mit Spitzenleistung zu tun hat.
Leider wird das Nicht-Nachdenken aber mit Dummheit gleichgesetzt, dabei gehört es
mindestens ebenso gut zu Weisheit. Und es gibt Techniken, dieses
Nicht-Nachdenken zu erlernen, den Geist von Modellen zu leeren und einfach zu
sehen, was da ist. Auch Schleim und Krümel. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse
mehren sich, dass dies wirklich funktioniert und dass diese Fähigkeit immer
wichtiger wird. Ansätze, die sich diese Erkenntnisse zu Nutze machen, heissen Achtsames
Management oder Mindful Leadership, oder auch Neuro-Leadership.
Viele Manager befürchten, dass solche Ansätze - aller
Wissenschaft zum Trotz - dann doch zu „gspürig“ sind. Sie halten sich lieber an
die alten, sauberen wissenschaftlichen Modelle oder jeder auf sein eigenes „Geheimrezept“.
Und sie hoffen zwar weiterhin auf Herausragendes, schaffen dann aber doch nur Mittelmass.
– Trotzdem bin ich zuversichtlich. Sehr zuversichtlich. Meine Zuversicht
gründet darauf, dass das eben Gesagte über Manager ja nur ein Modell ist.
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