Mittwoch, 3. Februar 2016

Modell


Ein Modell ist eine Vereinfachung der Realität. Da die Welt immer komplexer wird und wir immer mehr Mühe haben, sie zu verstehen, kommt den Modellen eine entscheidende Bedeutung zu: Sie erklären uns die Welt. Allerdings hat das seine Probleme und Grenzen. Aber fangen wir beim Positiven an: Ein gutes Modell kann ganz schön praktisch sein.

[Intuition funktioniert schlechter, wenn man nachdenkt.]

Als Jugendlicher habe ich den Motor meines Mofas auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt. Diese Erfahrung diente mir später, als ich mit einem „Döschwo“ eine Panne hatte. Ich blickte unter die Motorhaube und suchte nach Dingen, die irgendwie bekannt ausschauten. Dabei erkannte ich, dass ein Zündkerzenstecker lose war. Heute, wenn etwas nicht funktioniert, schaue ich immer noch unter die Motorhaube, aber es ist bloss eine aussichtslose Gewohnheit, denn ich würde kaum mehr selber Hand anlegen. Es ist alles zu komplex und vermutlich ohne Computeranalyse und Spezialwerkzeug nicht zu bewältigen.
Diese Geschichte ist nun selbst wiederum eine Vereinfachung der Aussage, dass die Nützlichkeit von Modellen langsam an Grenzen stösst. Zugegeben, damit wird die Sache etwas abstrakt, aber genau darum geht es. Leider sind nicht alle Modelle so konkret wie ein Mofamotor. Die meisten Modelle sind abstrakt, jedenfalls Management Modelle. Damit das Abstrakte dann doch irgendwie fassbar wird, lässt man sich etwas einfallen. Beliebt sind Vierfelder-Schemen, die sind einigermassen überschaubar. Beliebt sind auch griechische-Tempel-Darstellungen mit einem Fundament, drei oder vier Säulen und einem Dach. Oft werden auch Dreiecke verwendet, Kreis- und Kuchengrafiken oder dann Bälle und Pfeile, die symmetrisch angeordnet werden. Damit wirkt immer alles einleuchtend, rund und ganz. Die Wahrheit ist jedoch selten rund und ganz. Sie ist eher wie ein menschlicher Körper: Scheinbar fest, mehrheitlich jedoch flüssig und zwischendurch hat es Schleim und manchmal etwas Krümel.
Wenn ich mit erfolgreichen Führungskräften spreche, dann fällt mir immer wieder auf, dass diese meist selbst nicht wissen, wie die Dinge genau zusammenhängen. Die einen verstecken dieses Unwissen und verpacken ihre Geschichte als eigene Kompetenz, andere präsentieren überaus simple Erklärungen und wieder andere stehen einfach zu ihrem Nichtwissen. Zumindest bei den letzten beiden Kategorien wundert man sich ob der Häufung glücklicher Zufälle und man könnte geneigt sein, zu denken: Der Kerl will mir sein Geheimrezept nicht verraten! Viel wahrscheinlicher ist, dass sie alle ihr eigenes Erfolgsrezept nicht kennen. Wissen wird überschätzt. Aber das Entscheidende, „das Gespür“ für das Richtige zu haben, ist nicht lernbar. Oder doch?
Die Forschung hat sich in den letzten Jahren um das „Gespür“ bemüht und kann heute ein paar Dinge dazu sagen. Etwa dies: Intuition funktioniert besser, wenn man sie mit sehr vielen Erfahrungen füttert. Und sie funktioniert schlechter, wenn man mehr nachdenkt. Sie haben richtig gelesen: Nachdenken ist der Intuition oft hinderlich. Gefragt, welches Buch das bessere sei, ein schweres und ein leichtes stehen zur Wahl, sagen die meisten, dass sie es nicht wissen, sofern die Einbände abgedeckt sind und man sonst nichts über die Bücher weiss. Sobald man aber Informationen über die Bücher hat, werden Gedankengebäude aufgebaut und man findet scheinbar gute Gründe, das schwerere Buch für das objektiv bessere zu halten. – Nicht-Nachdenken ist also eine wichtige Qualität, die es zu fördern gälte; etwas, das mit Spitzenleistung zu tun hat. Leider wird das Nicht-Nachdenken aber mit Dummheit gleichgesetzt, dabei gehört es mindestens ebenso gut zu Weisheit. Und es gibt Techniken, dieses Nicht-Nachdenken zu erlernen, den Geist von Modellen zu leeren und einfach zu sehen, was da ist. Auch Schleim und Krümel. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse mehren sich, dass dies wirklich funktioniert und dass diese Fähigkeit immer wichtiger wird. Ansätze, die sich diese Erkenntnisse zu Nutze machen, heissen Achtsames Management oder Mindful Leadership, oder auch Neuro-Leadership.
Viele Manager befürchten, dass solche Ansätze - aller Wissenschaft zum Trotz - dann doch zu „gspürig“ sind. Sie halten sich lieber an die alten, sauberen wissenschaftlichen Modelle oder jeder auf sein eigenes „Geheimrezept“. Und sie hoffen zwar weiterhin auf Herausragendes, schaffen dann aber doch nur Mittelmass. – Trotzdem bin ich zuversichtlich. Sehr zuversichtlich. Meine Zuversicht gründet darauf, dass das eben Gesagte über Manager ja nur ein Modell ist.

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