Montag, 26. Oktober 2020

Glück kaufen (Part 1)

Glück ist heute auch nicht mehr, was es früher einmal war. Früher hat man noch in die Verfassung geschrieben, dass jeder auf seine Weise nach Glück streben darf, oder so. Zumindest in den USA. Zwar sind dann nur viele auf die eigene Weise depressiv geworden, aber wenigstens nicht auf die zentralstaatliche oder diktatorische Art, sondern schön demokratisch und föderal. Und das war dann auch schon ein Fortschritt.

Heute ist Glück nicht mehr etwas, wonach man strebt, sondern etwas, das man hat. Jedenfalls in der Schweiz, die in allen internationalen Glücks-Studien auf den vordersten Plätzen rangiert. Und sollte mal doch etwas nicht nach Plan laufen, so kann man Glück ja kaufen. Falls Sie im Glück-Kaufen etwas unerfahren sind, hier eine kleine Einführung: Im Prinzip gibt es fünf Arten, wie man sich Glück zuführen kann, zwei wichtige und drei unwichtige.

Die erste und wichtigste Art ist das „Shopping“. All das Unglück, das sich im Alltag so anhäuft mit einem doofen Chef, einer zickigen Freundin oder einer Schramme im Autolack, kann einfach „weggeshoppt“ werden. Es gibt mittlerweile wissenschaftliche Ratgeber, die mit Tipps aufwarten. Beispielsweise: Viele kleine Dinge kaufen statt etwas Grosses, da resultiert mehr Glück draus. Also bitte nicht etwa sparen oder sowas Verrücktes, sondern sofort los-shoppen. - War das eine Studie aus den USA? Egal. -  Und wer es sich doch nicht verkneifen kann, auf etwas zu sparen, der soll wenigstens für eine grosse Reise sparen und regelmässig davon träumen. Das macht scheint‘s schon glücklich, selbst wenn es dann nie zu der grossen Reise kommt, weil man den Ratschlag vom «los-shoppen» so gut beherzigt und das nötige Kleingeld bereits verjubelt hat. Ach ja, und ein bisschen Selbstlosigkeit beim Shoppen tut gut: Schenken Sie Ihrer Freundin ein schickes T-Shirt, das sie dann zu den anderen fünfunddreissig in den Schrank legen kann. Das macht zwar nicht die Beschenkte glücklich, aber Sie, weil Sie sich grossherzig vorkommen. „Shopping“ als die ultimative Art von Glück ist in letzter Zeit leider etwas in Verruf geraten, weil es nicht nachhaltig sei. Zu unrecht. Denn was ist auf die lange Sicht schon nachhaltig? Jeder Ökonom weiss: langfristig sind wir alle tot. Und solange Ende des Monats noch Geld auf das Konto kommt, steht dem permanenten Shopping-Glück auch langfristig nichts im Weg.

Die zweite wichtige Art heisst „Prozac“. Das ist der Name eines Psycho-Arzneimittels, das für eine ganze Familie von Präparaten steht, die alle messbar glücklich machen. Okay, jetzt müssten wir darüber anfangen zu diskutieren, was wir unter Glück genau verstehen, aber auf solche Diskussionen sollte man sich nicht einlassen. Solche Diskussionen machen nicht glücklich. Jedenfalls kann man eben, wenn das mit dem Shopping trotzdem irgendwie nicht klappt, solche Tabletten einwerfen. Das ist volkswirtschaftlich effizient, weil der Kummer viel grösser ist, als die Kosten für die Tablettenherstellung – und zwar inklusive Anteil für die horrenden Boni der Topmanager. – Okay, es gibt da eine kleine Einschränkung mit den Nebenwirkungen: Magenbeschwerden und Vergesslichkeit. Aber wer will sich wegen etwas Magenrumpeln beschweren, wenn er dafür glücklich ist? Und gab es da nicht sowieso zwei, drei Dinge, die Sie lieber vergessen wollten? – Jetzt kommen Sie mir nicht wieder mit der Nachhaltigkeit. Man sollte die Tabletten dann einfach nicht mehr absetzen, dann ist gut, auch langfristig.

Und was ist mit den unwichtigen Arten des Glückskaufs? Das hat jetzt leider keinen Platz mehr, aber Sie erfahren zum Glück mehr dazu in der nächsten Kolumne.

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Auszüge aus einem Referat "Frohes Schaffen - Was uns die Glücksökonomie zu sagen hat" kann man sich hier anschauen.

 
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