Freitag, 6. November 2020

Gesundheitsrisiko

Was ist am gefährlichsten: Ein Haifisch, eine Kokosnuss oder ein Handy? – Tippen Sie mal spontan, welches dieser drei Dinge das grösste Gesundheitsrisiko für einen Menschen darstellt. – Leider stehen die Chancen gut, dass Sie jetzt nicht 100%-ig ins Schwarze getroffen haben. Die Meisten würden auf den Haifisch tippen: Dass Kokosnüsse manchmal jemandem auf den Kopf fallen, das hat man schon mal gehört, aber sicher ist noch nie jemand von einem Smartphone angegriffen und lebensgefährlich verletzt worden.  Nun, die Reihenfolge ist gerade anders rum. 2019 gab es wegen Haifischangriffen gerade mal 2 Tote, wegen herunterfallenden Kokosnüssen sterben aber jährlich rund 150 Personen. Und 2018 sind 259 Personen gestorben, weil sie das perfekte Selfie von sich machen wollten. Und da sind die noch gar nicht mitgezählt, die aufgrund ihrer Handy-Sucht depressiv geworden sind und Selbstmord begangen haben.

Es scheint, dass es uns Menschen schwerfällt, Gefahren richtig einzuschätzen. Wenn uns rasch ein dramatisches Bild in den Sinn kommt (wie beim Haifisch), dann finden wir etwas gefährlich. Wenn wir erst genau überlegen müssen, worin die Gefahr überhaupt bestehen könnte (Handy), dann halten wir etwas für wenig gefährlich. Dieser Effekt ist in der Forschung unter «Availability-Bias» bekannt, Verfügbarheits-Verzerrung: Die leichte Verfügbarkeit von gefährlichen Bildern wird für das Abschätzen der Gefährlichkeit verwendet. Das macht unser Gehirn ganz automatisch, ohne dass wir dabei etwas mitbekommen. Dieser Effekt ist aber mehr als nur ein Party-Gag. Er zeigte sich dramatisch nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001, bei dem fast 3000 Menschen ums Leben kamen. Sehr viele Menschen hielten das Fliegen in den folgenden Monaten für unsicher und sind weite Strecken mit dem Auto gefahren. Wenn man die zusätzlichen gefahrenen Autokilometer mit den üblichen Zahl an Verkehrstoten pro zurückgelegte Strecke aufrechnet, kommt man auf 1600 Menschen, die aufgrund einer falschen Risiko-Einschätzung gestorben sind.

Was nun? – Wir sollten überlegen, ob wir im Fall von Corona nicht einem ähnlichen Effekt unterliegen. Verstehen Sie mich richtig: Corona ist gefährlich und wir sollten uns davor schützen. Völlig klar. Aber wenn Forschende sich daran machen zu verstehen, was denn zu einem langen Leben führt, dann kommen Sie immer wieder auf einen zentralen Faktor, der herausragt. Und wenn der fehlt, dann sterben wir früher. Es ist nicht der Sport, es ist nicht das Nicht-Rauchen, ja nicht einmal die gesunde Ernährung oder unser BMI. Es sind unsere Beziehungen: Wer sich ein einem Netz von vielen guten, warmherzigen Beziehungen befindet, wer sich sozial eingebunden fühlt, lebt länger. Lassen wir also nicht zu, dass die Corona-Masken uns einsamer machen. Lassen wir nicht zur, dass wir weniger mitfühlende Wesen werden. Ganz egal, unter welch einschränkenden Bedingungen wir die kommenden Tage verbringen werden: Freuen wir uns miteinander, dass wir einander haben. Zeigen wir uns diese Freude gegenseitig - allen Hindernissen zum Trotz. Wenn Sie eine Person kennen, die vielleicht nicht so viele soziale Kontakt hat, dann rufen Sie sie an. Heute. Und sagen Sie einfach, dass es Sie wundernimmt, was in ihrem Leben dieser Tage gerade so passiert. Mehr braucht es nicht. Fröhliche Weihnachtszeit.

 

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Dienstag, 3. November 2020

Glück kaufen (Part 2)

Shopping und Psychopharmaka sind die beiden wichtigsten Arten, wie man sich mit Geld Glück zuführen kann. Haben Sie's, wie in der letzten Kolumne erläutert, ausprobiert? Sind Sie damit nicht glücklich geworden und möchten drei weiteren Arten kennen lernen? Bitte schön. Leider sind sie allesamt unwichtig.

Die erste unwichtige Art ist das Glückskaufs ist die Psychotherapie. Leider kann ich Ihnen das gar nicht empfehlen, weil da müssen Sie sich mit sich selbst befassen. Sie können nicht einfach hingehen und sich mal schön therapieren lassen. Nein, die Therapeuten stellen bloss irritierende Fragen, die ganze mühsame Arbeit bleibt an Ihnen selber hängen. Ehrlich. Das grenzt an Etikettenschwindel! - Nun, nicht ganz, denn immerhin ist erwiesen, dass kognitive Verhaltenstherapie mindesten ebenso wirksam ist wie Psychopharmaka. Nur ist sie eben viel mühsamer. Und peinlich. Wenn Sie in eine Therapie gehen, müssen Sie das ja unbedingt geheim halten. Und dann ist es erst noch weniger nachhaltig: Schon nach zehn, zwölf Sitzungen ist die Sache gegessen und der Therapeut ist arbeitslos, während Sie mit der Tabletten-Variante lebenslag Jobs in der heimischen Pharmaindustrie sichern würden. Und zusätzlich noch in der Krankenversicherungsbranche. Wem das noch nicht reicht: Laut Bundesamt für Gesundheit gehen zwei Drittel aller Personen mit schweren Depressionen nicht zum Therapeuten. Also ehrlich: Wer will schon in der Minderheit sein und sich auf einen so unpopulären Ansatz einlassen?

Die zweite unwichtige Art des Glückskaufs ist das Meditieren. Der alte Einwand ist leider nicht mehr gültig, dass man sich dazu zu einer Religion bekennen oder einen Schneidersitz machen muss. Meditieren kann man nicht nur als Buddhist, sondern auch als Christ, Hindu oder Jude, sogar als Atheist oder Agnostiker. Und es geht im Sitzen, Liegen oder Stehen. Mit dem besterforschten, religiös unabhängigen Ansatz von „Minfulness based Stress Reduction“ (MBSR) sind Sie dabei. Es dauert nur 8 Wochen, danach fühlen sich die Menschen glücklicher und weniger gestresst. Das scheint zunächst kurz, denn auch Prozac müssen Sie mindestens vier Wochen lang regelmässig einnehmen, bevor es zu wirken beginnt. Der Pferdefuss ist der: Sie müssen täglich dreiviertel Stunden lang meditieren. Viele Kursteilnehmende machen das danach freiwillig weiter. Unglaublich, diese ineffiziente Zeitverschwendung: Einfach dasitzen und nichts tun! Und dann noch ein Pferdefuss: Die innere Gelassenheit, die da trainiert wird, führt zu Vorstellungen wie „zwischendurch mal unglücklich sein gehört zum Leben“. - Igitt! Es ist ja klar, wenn man den Leuten solche Dinge lange genug einredet, dass Sie dann meinen, glücklich zu sein, wenn man sie nur schon in Ruhe lässt. In Wirklichkeit sind sie dann unglücklich wie eh und je, nur bewerten sie alles etwas anders. Da lob‘ ich mir eine ehrliche Shoppingtour. Das ist dann wenigstens kein Selbstbetrug oder so.

Und dann gibt es neuerdings noch die Positivity-Trainings. Auch das ist wissenschaftlich fundiert, aber unpopulär, denn das braucht etwas Selbstdisziplin. Sie müssen Dankesbriefe schreiben, jemandem helfen oder sich überlegen wofür Sie in ihrem Leben dankbar sind, solche Dinge halt. Eigentlich macht das sehr viel Spass. Unbedeutend ist diese Art nur deshalb, weil Sie zuerst zwischen unseriösen und wissenschaftlichen fundierten Angeboten unterscheiden müssen und dann feststellen, dass es von der seriösen Sorte nur wenige gibt. Das Feld ist sehr jung und die Forschung ist eben gerade erst soweit Resultate zu liefern, die man praktisch verwenden kann. – Bei einigen Glücksübungen geht es übrigens ums Hoffen. Geben Sie also die Hoffnung nicht auf, dass irgendwann in Ihrer Nähe ein seriöses Glückstraining angeboten wird und dass Sie dann zufällig davon erfahren.
Viel Glück!

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Noch nicht genug vom Glück?  Auszüge aus meinem Referat "Frohes Schaffen - Was uns die Glücksökonomie zu sagen hat" kann man sich hier anschauen.


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