„Versunkene Kosten“ ist ein Fachausdruck der Ökonomie und
bezeichnet jenen Teil der Kosten, die ich nicht mehr rückgängig machen kann,
wenn ich mich später umentscheide. Ich kaufe zum Beispiel ein Auto für 50‘000, aber schon eine Woche
später brauche ich unerwartet dringend Geld, kann den Wagen aber nur noch für
44‘000 losschlagen. Das heisst, 6‘000 sind versunken.
[Ist erwiesen, dass Banker meditieren sollten?]
Jeder, der Ähnliches
schon erlebt hat, weiss, wie deprimierend das sein kann. Spannend sind
versunkene Kosten, weil sie rein ökonomisch gesehen, keine Rolle spielen
sollten, sie tun es aber trotzdem. Rationale Wesen sollten sich ausschliesslich
an den aktuellen Tatsachen orientieren, wir Menschen lassen uns aber schon von
Geschichten beeinflussen. Dies vor allem auch dann, wenn es unsere eigenen sind
und wenn sie schmerzhaft waren.
Typischerweise würde jemand in der gleichen Situation, der
seinen Gebrauchtwagen ebenfalls für 44‘000 verkaufen kann, diesen eher verkaufen,
wenn der Neupreis nur 45‘000 war. Der Verkauf sieht in diesem Fall wie ein weniger
schlechtes Geschäft aus, obwohl es faktisch der gleiche Tausch ist:
Gebrauchtwagen gegen 44‘000. Die Geschichte ist aber ein andere. Im Hinterkopf
steht hier ein „Verlust“ von nur 1‘000 , während es im ersten Fall 6‘000 wären.
Der Verlust hat aber bereits vergangene Woche stattgefunden und sollte für den
Entscheid wie gesagt keine Rolle spielen.
Die Beobachtung, dass die ökonomische Theorie in derartigen
Fällen nicht mit der Praxis übereinstimmt, hat sich bereits herumgesprochen.
Besonders dort, wo derartige Fälle oft vorkommen und ins Geld gehen, wie etwa
im Bankensektor. Wenn beispielsweise ein Portfolio-Manager vor einiger Zeit entschieden
hat, eine ansehnliche Position Coca-Cola-Aktien zu kaufen und sich seither die
Aussichten für diesen Titel zusehends verschlechtern, so ist dieser geneigt,
die Aktie eher zu behalten und darauf zu hoffen, dass sich sein Kauf doch noch
als guter Entscheid entpuppt. Dieser Effekt kann selbst dann eintreten, wenn
sich die betreffende Person bewusst ist, dass sie befangen ist und es selbst eigentlich
für sinnvoll hält, den Titel endlich zu verkaufen. Für diese Situation gibt es
eine pragmatische Lösung: Der Portfolio-Manager tauscht sein Portfolio mit dem
eines Kollegen. Der Neue, der die Coca-Cola-Position übernimmt, wird sie
nüchtern einschätzen und sie hemmungslos abstossen, wenn die Zukunftsaussichten
dies nahelegen. Leider sind diesem Lösungsansatz enge Grenzen gesetzt. Wenn nämlich
dauernd getauscht wird, hat keiner der Portfolio-Manager einen Anreiz,
langfristig erfolgreiche Titel einzukaufen.
Zu diesen, in einschlägigen Geschäftskreisen gut bekannten
Zusammenhängen gesellen sich nun zwei neue Studien. Sie zeigen auf
unterschiedliche Weise, dass achtsame Menschen diesem Effekt weniger
unterliegen. Im einen Fall sind es solche, die von ihrem Naturell her achtsamer
sind, im andern Fall solche, die ein Achtsamkeitstraining absolviert haben. Fazit:
Der Abteilungsleiter kann sich also nur wünschen, dass seine Portfolio-Manager
regelmässig meditieren, das macht nämlich achtsam. Dieses Forschungsresultat hat sich allerdings in
einschlägigen Kreisen noch deutlich weniger herumgesprochen. Grund dazu gäbe es
allerdings genug, denn auch andere Entscheidungsfehler werden durch Achtsamkeit reduziert wie etwa das Überbewerten von negativen gegenüber positiven
Informationen. Zugegeben, es sind erst eine handvoll experimenteller Studien.
Bis Untersuchungen vorliegen, die auch den hartnäckigsten Zweifler überzeugen,
wird es noch eine paar Jahre dauern. Andererseits werden die Auswirkungen von
Achtsamkeit bereits seit Jahrzehnten erforscht und obige Resultate fügen sich
sehr geschmeidig in die bisherigen, bestens fundierten Erkenntnisse.
Sollten Banker nun wirklich in Massen zu meditieren beginnen?
Ich meine: Warum nicht? Immerhin geht es um sehr viel Geld.
Und was machen wir mit der schönen ökonomischen Theorie? Nun, sie hat sich in diesem Punkt als ziemlich falsch erwiesen. Der Aufwand sie zu entwickeln und auswendig zu lernen ist längst vorbei. Die Kosten dafür sind versunken und sollten eigentlich keine Rolle mehr spielen. Aber eben.
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Und was machen wir mit der schönen ökonomischen Theorie? Nun, sie hat sich in diesem Punkt als ziemlich falsch erwiesen. Der Aufwand sie zu entwickeln und auswendig zu lernen ist längst vorbei. Die Kosten dafür sind versunken und sollten eigentlich keine Rolle mehr spielen. Aber eben.
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