Burnout ist, wenn man vor lauter Arbeiten nicht mehr kann -
das weiss heute jedes Kind. Dauerstress und mangelnde Wertschätzung sind die
zentralen Ursachen, und die Burnoutfälle und –risiken nehmen dramatisch zu. Mehrere
Studien belegen das in der Schweiz, in Europa, in der westlichen Welt. Das
weiss vielleicht nicht jedes Kind, aber sogar Kinder haben heute Burnout.
[Wer ein Burnout hat ist ein heldenhaftes Opfer.]
Wie von Fachleuten immer wieder betont wird, ist Burnout
keine klinische Diagnose. Erschöpfungsdepression wäre ein treffenderer
Ausdruck. Das mag fachlich korrekt sein, aber es gibt einen guten Grund, warum
sich trotzdem der Begriff „Burnout“ durchsetzt. Ich vermute, es ist genau der gleiche
Grund, der auch dafür verantwortlich ist, dass überhaupt wir so viele Burnouts
haben: Weil wir nämlich als Gesellschaft zunehmend zur „organisierten
Selbstüberforderung“ neigen und das wiederum liegt an unserer Werthaltung. Diese
zeigt sich etwa so:
Wer ein Burnout hat ist ein heldenhaftes Opfer im hehren
Kampf um Effizienz und Wirtschaftswachstum und wird respektvoll behandelt, fast
wie in anderen Ländern die Kriegsveteranen. Wer Depressionen hat ist ein
Verlierer, ein Weichei, wahrscheinlich selber schuld und man sollte sich von
ihm fernhalten, denn der Kontakt mit Depressiven ist für „normale Menschen“
meistens unangenehm, für den Betroffenen therapeutisch wertlos und … womöglich sind
Depressionen ansteckend? – Okay, ansteckend vielleicht nicht, aber irgendeinen
akzeptablen Grund muss es doch geben, um sich als normaler Nichtdepressiver ohne
schlechtes Gewissen zurückziehen zu können!
Aus dieser Werthaltung folgt: Burnout ist ein vorhersehbarer
Kollateralschaden unserer Gesellschaft. Das heisst aber nicht, dass dies allen gleichgültig
wäre. Manager müssen jetzt Burnout-Präventions-Programme durchlaufen und
Burnout-Früherkennungs-Trainings absolvieren und das alles zusätzlich zum
Alltagsgeschäft. Ironischerweise ist das womöglich ein zusätzlicher Stressfaktor.
Studien zeigen, welch enorme Summen die vielen Burnouts die
Wirtschaft kosten (eine fundierte Schätzung für die Schweiz besagt, es seien 4 Milliarden
pro Jahr, Tendenz steigend). Kaum untersucht ist die Tatsache, dass das
Phänomen Burnout das Bruttosozialprodukt gleichzeitig aber auch steigert.
Denken Sie an alle spezialisierten Kliniken, Therapieplätze, Selbsthilfebücher
und die zunehmende Arbeit für Stress-Coaches, Therapeuten und
Wiedereingliederungs-Experten. Diesen Betrag fundiert zu berechnen würde wohl ziemlich
zynisch wirken. Dabei wäre es nichts als
eine nüchterne Betrachtung des menschlichen Treibens, das wir Wirtschaft nennen.
Ob wir nun von Burnout oder Depression sprechen, eins wissen
wir sicher: Wer so etwas durchmacht ist für eine längere Zeit nicht glücklich. –
Warum tut der Mensch, der ja angeblich so systematisch nach Glück strebt, sich
das an? Irgendetwas scheint grundsätzlich schief zu laufen beim Streben nach
Glück. Viele würden unserer „Leistungsgesellschaft“ die Schuld geben, aber es
ist womöglich die grösste Ironie der Sache, dass Leistung und nachhaltiges
Glück keine Widersprüche sind … es mindestens nicht sein müssten. Im Gegenteil
zeigen Studie um Studie, dass wir lebenszufriedener und leistungsfähiger werden,
wenn wir tun, was wir gut können, wenn wir unsere Stärken einsetzen und
entwickeln und nach Zielen streben, die uns wertvoll erscheinen, sofern wir uns
dabei selbst einigermassen Sorge tragen. Nach Leistung zu streben ist also kein
Problem. Unsere verkrampfte Haltung dabei ist das Problem. Diese Verkrampfung ist
bei uns üblich. Handelsüblich, gesellschaftsüblich, ja sie ist sogar so stink-normal,
dass sie beinahe unsichtbar geworden ist. Entscheidend ist deshalb: Werden wir
Therapien anwenden, die bloss den Status Quo wieder herstellen, oder kommen wir
durch die Konfrontation mit unseren Grenzen zu einer anderen Lebenseinstellung? Ich
stelle mir eine Lebenseinstellung vor, in der Leistung immer noch sehr wichtig ist, aber nicht
mehr so auf Teufel komm raus wie heute, mit Statusdenken, Ellenbogen und
Zeitdruck, sondern eher kombiniert mit Warmherzigkeit, Neugierde und Wachstum. - Soviel ist klar: Ohne Auseinandersetzung mit unserem Blinden Fleck bleibt
jeder Heilungsversuch reine Symptombekämpfung. Dieser kollektive Blinde Fleck
will gesehen werden, jetzt! Er ruft, tobt und will unsere Aufmerksamkeit. Wenn
er sie nicht bekommt wird er - wie ein vernachlässigtes Kind - noch eins oben
drauf legen. Und er wird ganz bestimmt nicht eines Tages ausbrennen und dann
einfach nicht mehr da sein. Burnout ist ein Dauerbrenner.
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