Montag, 5. September 2016

Versprechen

Was leicht aussieht, wird oft erst als schwierig erkannt, wenn man versucht es nachzumachen. So scheint zum Beispiel die menschliche Fähigkeit etwas zu versprechen, als etwas relativ Banales. Soll sie aber Robotern beigebracht werden erkennen wir, wie vielschichtig das Ganze ist. Das Entscheidende an einem Versprechen ist natürlich nicht, es zu geben, sondern es dann auch einzuhalten … naja, wenigstens meistens. Es erfordert die Fähigkeit zur Selbstverpflichtung.


[Werde ich je einem Roboter etwas versprechen?]


Ökonomisch gesehen ist das interessant, weil sich der kurzfristig denkende Optimierer grundsätzlich nur an Abmachungen hält, sofern sie ihm im Nachhinein immer noch in den Kram passen. Typischerweise ist das natürlich nicht der Fall, denn die Vorteile aus dem gegebenen Versprechen erhält man rasch, die Nachteile kommen später und eben nur, wenn man seine Versprechungen einhält.
Der langfristige Optimierer erkennt zwar dieses Problem ebenfalls, aber er erkennt zudem, dass ihm irgendwann keiner mehr vertraut. Und einige sehr wertvolle Dinge lassen sich ohne Vertrauen gar nicht bewerkstelligen. Sein Ruf ist ihm also wichtig. Um nicht zu sagen: teuer. Er ist nicht bereit, den Ruf zu opfern für einen kurzfristigen Vorteil. Er würde aber jederzeit Versprechen brechen, wenn er sicher sein könnte, dass niemand davon erfährt. Auch nicht gerade ein Ausbund von Tugend.
Tieren trauen wir nur sehr eingeschränkt Selbstverpflichtung zu. Wer sagt schon zu seinem Hund: „Okay, Du kriegst Dein Fressen jetzt, aber nachher gehst Du mir die Zeitung holen, abgemacht?“ Viele würden aber schon erwarten, dass der Hund einen gegen Einbrecher verteidigt, obwohl er das nie so direkt versprochen hat. - Eine wichtige Frage scheint zunächst also, was trauen wir Robotern zu? In der Praxis ist dies jedoch überraschenderweise ziemlich gleichgültig, denn Menschen verhalten sich höchst unlogisch: Obwohl die meisten Menschen Robotern die Fähigkeit absprechen, Versprechungen einzugehen oder umgekehrt, das Einhalten der eigenen Versprechungen zu erkennen und zu honorieren, benehmen wir uns trotzdem oft so, als sei dies eben doch der Fall. Haben Sie nicht auch schon Leute beobachtet, die ihren Computer verflucht haben oder auf ihr Smartphone wütend waren, weil es ihnen etwa die „versprochene“ Adresse eines Freundes nicht liefern wollte? Wenn ein sonst so treues Gerät den Dienst plötzlich versagt, wird es beschimpft, als hätte es seinen Besitzer absichtlich und hinterhältig in eine missliche Lage gebracht.
Wenn so etwas schon mit einem ziemlich rechteckigen Gerät passiert, wie behandeln wir dann Maschinen, die so aussehen wie Menschen - und sich erst noch in verschiedener Hinsicht so verhalten? Werden wir von Ihnen Emotionen und moralisches Verhalten erwarten oder es ihnen zuschreiben? Das scheint nicht allzu abwegig. – Dem legendären Komiker Groucho Marx wird folgender Spruch zugeschrieben: „Ehrlichkeit. Sobald Du sie vortäuschen kannst, hast Du’s geschafft.“ Scheinbar hat diese Denke nun Eingang in die Programmierstuben gefunden. Man stellt beispielsweise fest, dass Menschen einer Maschine eher moralisches Verhalten zugestehen, wenn sie erst zögert, bevor sie sich dann selbstlos verhält. Der Mensch entpuppt sich also bei genauerem Hinschauen als äussert leicht manipulierbares Wesen. Aber was passiert mit uns, wenn diese Manipulierbarkeit systematisch ausgenutzt wird? Wenn diese Ausnutzung wörtlich „zum Programm“ wird? Welchen Ruf werden sich die Roboter schaffen? Und wird es ein genereller Ruf sein oder einer, der sich auf bestimmte Modelle beziehen? Oder wird sich gar jede einzelne Maschine einen individuellen Ruf schaffen?
Prickelnder noch finde ich folgende Frage: Werde ich je einem Roboter ein Versprechen geben können, ohne mir später wie ein Idiot vorzukommen? – Ich vermute, eher nicht. Aber dieses Gedankenexperiment zeigt eins: Die Natur von menschlichen Beziehungen könnte durch die Übertragung auf Maschinen nicht nur strapaziert werden, es könnte auch zu einer Klärung führen, was im Kern menschlich ist. Das scheint mir zentral. Ich weiss zwar nicht, was die Technologie uns künftig noch alles für Möglichkeiten bieten wird, aber ich werde ihr punkto Menschlichkeit genau auf die Finger schauen. Versprochen.

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