Donnerstag, 17. Februar 2022

Kontrollillusion

 

«Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.» Der Satz ist zwar eingängig, aber leider nicht wirklich gut gegendert und ziemlich sicher nur zur Hälfte wahr. Die wahre Hälfte ist, dass es eine gute Idee ist, nicht andere für das eigene Glück verantwortlich zu machen. Das ist nicht nur wahr, sondern sogar tiefsinnig. Besonders dann, wenn man dazu neigt sich als Opfer zu sehen. Als Opfer einer Pandemie zum Beispiel. Der Satz verweist uns auf unsere eigene Verantwortung und kann uns helfen, sie tatsächlich wahrzunehmen.

Das Glück ist aber nicht wie ein glühendes Stück Eisen mit ein paar Schlägen formbar.  Was nützt es, wenn ich meines eigenen Glückes Schmied bin, wenn der Hochofen aus ist?  Da kann man doch nur verzweifeln. Über Vieles, was in unserem Leben passiert, haben wir keine Kontrolle. Wir sind vielem ausgeliefert. Das Unangenehme, das uns passiert, ist dann nicht genug. Es vermischt sich noch mit der eigenen Hilflosigkeit. Und wenn Menschen etwas schlecht vertragen, dann ist es die eigene Hilflosigkeit. Statt sie einzusehen und zu akzeptieren, neigen wir dazu, uns kompletten Schwachsinn einzureden, nur damit wir uns selbst gegenüber den Anschein eines Einflusses aufrechterhalten können. Wir schaffen eine Kontrollillusion.

Sehen Sie, ich mache den kleinen Kindern keinen Vorwurf, denen auf dem Karussell nicht auffällt, dass wirklich jedes einzelne Auto, das hier im Kreis fährt, ein Steuerrad hat. Wenn nicht zwei. Und die dann trotzdem freudvoll daran rumkurbeln als ob es einen Einfluss hätte. Sie spielen ja nur. Aber mir kommen Erwachsene oft so vor, als ob sie einem Steuerrad drehen, das offensichtlich keinen Einfluss hat - und sie nehmen sich dabei total ernst. Ich denke etwa Eltern, die Ihren halberwachsenen Kindern sagen, sie sollten pünktlich um 23h zuhause sein. Als ob man vor 23h nicht schwanger werden oder Haschisch rauchen könnte. Ich denke an Erwachsene, die ihren Geist damit erschöpfen, in einem Schweizer Kühlhaus gelagerte Bio-Äpfel abzuwägen gegen frisch in Südafrika geerntete und eingeflogene Bio-Äpfel, als ob die Welt mit dem richtigen Entscheid zu retten wäre. Und das so lange, bis sie selbst dringend Ferien benötigen – und auf den Malidiven fliegen.

Nein, wir haben kaum Einfluss auf das Verhalten unserer Teenager. Und auf den Klimawandel auch nicht. Aber Aufgeben ist auch keine Option. Dann verlegen wir uns eben auf Übersprungshandlungen, von deren Wichtigkeit wir uns in der Folge aber täglich selbst überzeugen müssen. Die Kontrollillusion aufrecht zu erhalten ist anstrengend, aber nicht nur das. Sie bringt uns auch in Argumentationsnotstand, aber eher riskieren wir Krach als sie aufzugeben.

Gibt es dazu eine Alternative? – Nun, es gibt Eltern, die ihre Teenager fragen, wann sie der eigenen Meinung nach zuhause sein sollten und von ihnen verlangen, dass sie sich daran halten. Und es gibt klimabewusste Menschen, die sich nur an drei einfache Regeln stur halten (die wahrscheinlich mit Flugmeilen, mit Heizen und Pendeln zu tun haben) und die im Übrigen schon tendenziell klimabewusst, aber entspannt einkaufen. Ist das paradox? Ist das inkonsequent? – Wenn wir eins aus der Coronakrise lernen, dann das:  Wirklich konsequentes Verhalten gibt es nicht. Jede Regelung ist Flickwerk. Was wir tun könnten wäre durchschauen, wie linkisch wir versuchen, unsere Kontrollillusion aufrechtzuerhalten – indem wir täglich Berichte über ausländische Regelungen oder regionale Ansteckungszahlen lesen – und damit aufhören. Stattdessen könnten wir die Empfehlungen des BAG mit Augenmass einhalten, und uns im Übrigen um beeinflussbare oder erfreuliche Dinge kümmern. Kurz: Um gut durch ein Krise zu kommen, müssen wir die Kontrollillusion aufzugeben.

 
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