Mittwoch, 8. Februar 2017

Brennende Plattform


Die „brennende Plattform“ ist ein bildhaftes Codewort für eine alte Motivationstheorie, die besagt, dass sich Menschen nicht bewegen, ausser sie werden massiv bedroht. Die Geschichte bezieht sich auf eine Ölförder-Plattform und geht so: Wie kriegen Sie eine Gruppe von Menschen dazu, sich freiwillig aus grosser Höhe in kaltes Wasser zu begeben? – Zünden Sie die Plattform an, auf der sie sich befinden, und sie werden springen!

[Die "brennende Plattform" ist eine schlechte Managementidee, die man im Meer versenken sollte.]

Natürlich ist das keine menschenfreundliche Theorie, aber besonders ehrgeizige Manager, meinen nicht selten, sie doch anwenden zu dürfen, weil sie erfahrungsgemäss „funktioniert“, insbesondere dann, wenn nett fragen oder befehlen nicht wirken. Und auch weniger ehrgeizige Manager stimmen zu, sobald sie sich selbst in die Enge getrieben fühlen. Das ist bedauerlich. Ein Drittel der erwerbstätigen  Bevölkerung ist nämlich bereits chronisch gestresst und benötigt keine zusätzlich inszenierten Bedrohungen durch das Management. Zudem ist dieser Ansatz mit massiven Nebenwirkungen verbunden, die den Einsatz aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht kaum rechtfertigen: Man verspielt nicht nur das Vertrauen, sondern auch die Motivation und das Engagement der Mitarbeitenden. Studien zeigen, dass über achtzig Prozent der Erwerbstätigen sich nicht für ihre Arbeit engagieren. Man stelle sich das Potential vor, wenn nur schon die Hälfte davon auf einmal mit Freude, mit Lust, mit Überzeugung und Enthusiasmus zu Sache gingen! Wie aber bekommt man das hin? Die Einsicht, dass massive Drohung keine gute Idee ist, hilft nicht weiter, solange kein besserer Ansatz zur Hand ist.
Fragen wir einmal anders: Was würde ein paar Leute dazu bringen, sich in eine einsturzgefährdete Höhle zu begeben, die mit giftigen Gasen gefüllt ist? Zunächst ginge wohl niemand um keinen Preis der Welt da hinein. Aber dann wagen sich doch ein paar freiwillig hinunter, wenn da ein paar Kumpels eingeklemmt sind, die vielleicht noch leben und auf Rettung hoffen. Menschen verlassen ihre Komfortzone nicht nur aus Angst oder Egoismus, sondern auch, um etwas zu tun, das ihnen bedeutungsvoll erscheint. Neuere Führungsansätze befassen sich genau damit. Was ist für meine Mitarbeitenden wichtig? Wie werden sie inspiriert? Was gibt ihnen Energie? Was ergibt für sie Sinn? – Zugegeben, die Antworten darauf sind etwas komplizierter als ein Benzinkanister und ein Streichholz. Aber deswegen sind sie noch lange nicht „esoterisch“. Zumal sich die empirischen Belege häufen, dass Manager erfolgreicher sind, die ihren Mitarbeitenden mit einer ehrlich interessierten und  respektvollen Haltung begegnen. Solche die sie dazu anregen, die eigenen Stärken noch weiter zu entwickeln. - Ich wünschte mir, dass genau dies in den Köpfen von Führungskräften mehr verankert wäre. Und dass sie besser ausgebildet wären, Instrumente anzuwenden, die nach dieser Logik funktionieren.
In einem schwachen Moment habe ich mir einmal gewünscht, dass das Bild der brennenden Plattform aus den Managerköpfen verschwindet. Ich habe mir vorgestellt, das Bild selbst auf eine brennende Plattform zu stellen, wo es dann entweder verbrennt oder ins Meer stürzt. Wie ironisch! So geht ja eben kein guter Wandel von statten. Wie dann? – Als der schwache Moment vorbei war dämmerte mir, dass das Bild gar nicht ausgelöscht werden muss. Es genügt, wenn es verblasst. Und es verblasst dann, wenn Manager daran glauben, dass man gleichzeitig eine gute Führungskraft und ein guter Mensch sein kann. Wenn sie die Hoffnung nicht aufgeben, dass es so sein möge. Wenn sie nach Instrumenten suchen, die sie in dieser Haltung unterstützen. Wenn für sie der respektvolle Umgang mit Mitarbeitenden und die Interessen des Geschäfts höchstens ein scheinbarer Widerspruch ist. Wenn sie bereit sind, genau dafür den Beweis anzutreten - auch ohne eine Garantie, dass es funktionieren wird. Aber mit der Gewissheit, dass es sich lohnt, es zu versuchen.

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