Mittwoch, 1. April 2020

Humor


Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Beides kommt in der Wirtschaftswissenschaft nicht vor:  Weder das Lachen, noch das Trotzdem. Humor wird in der Ökonomie ignoriert, bestenfalls vorausgesetzt. Das heisst nicht, dass Ökonomen nie einen Scherz machen, aber eigentlich machen sie das eher nicht während der Arbeit. Dabei ist Humor eine sehr wichtige Ressource in der Wirtschaft, denn Humor macht kreativ.

[Humor ist eine zu wenig genutzte Ressource.]

Ist nicht gerade im verschärften und turbulenten internationalen Wettbewerb mehr denn je Kreativität gefragt? – Statt kreativ zu werden, nehmen wir unsere Budgetziele ernst, blicken den ökonomischen Realitäten phantasielos ins Auge und schmieden einen nüchternen Plan. Und wenn da einer im Team ist, der es doch etwas lockerer angehen möchte, dann klatscht man dieser Person ökonomische Anreize um die Ohren bis unmissverständlich klar ist, dass das hier alles keine Spielerei ist.
In einer Studie hat man Studierenden die Aufgabe gegeben, eine Fallstudie zu lösen. Eine Gruppe sollte sich vorstellen, sie erhielten einen mageren Studentenlohn, die anderen sollten sich vorstellen, sie erhielten eine stattliche Senior Consultant Entschädigung. Wem hat die Arbeit mehr Spass gemacht? Der Gruppe mit der geringeren Entschädigung natürlich. Die anderen fühlten sich unter Druck, für den hohen Lohn eine brillante Leistung zu erbringen. Der höhere, sich vorgestellte Lohn führte aber nicht zu einer besseren Leistung, nur zu mehr Stress.
Wenn die Leistungsorientierung nicht zu mehr Leistung führt, sondern nur zu mehr Stress, sollten wir da den Wettbewerb nicht etwas gelassener nehmen?  - Wenn wir den Wettbewerb als Entdeckungsverfahren betrachten, in dem eine Gesellschaft herausfindet, was besser funktionier, dann ist es natürlich, dass viele Versuche scheitern müssen. Zu scheitern und es dann nochmals zu versuchen, erscheint als Urprinzip des Wirtschaftens, wenn nicht des Lebens schlechthin. Humor würde uns dabei helfen, in diesem Prozess weniger zu leiden. Vielleicht kann man mit Humor aus dem unvermeidlichen Scheitern sogar Kraft zu schöpfen. – Dummerweise werden BetriebswirtschafterInnen darin ausgebildet, an Erfolgsfaktoren zu glauben. In einer turbulenten Welt eine wenig hilfreiche Sichtweise. Warum bereiten wir uns nicht darauf vor, mit mehr Leichtigkeit zu scheitern? Zweifelt jemand daran, dass es uns guttun würde? Verschiedene Studien bestätigen, dass Humor sehr gesund ist. Nicht nur das, sondern auch: Humor ist lernbar. Aber wer von uns hat schon daran gedacht, statt eine weitere Diät zu machen oder ein Fitnessabo zu lösen zur Abwechslung mal in einem Lachseminar etwas für seine Gesundheit zu tun? – Eben.
Man braucht nicht unbedingt so weit zu gehen, Misserfolge exzessiv zu feiern. Als Redner auf einer „Failure Party“ traut sich in der Schweiz ja ohnehin nur jemand aufzutreten, der oder die nach dem Misserfolg dann mittlerweile doch einen stattlichen Erfolg vorzuweisen hat. Und damit zementiert man die schweizerische Lebensweisheit, dass man grundsätzlich nicht scheitern soll und wenn, dann nur sehr, sehr leise. Mit einer solchen Haltung wird nichts mit fröhlichem Scheitern. Damit verpassen wir, was der Humor uns tatsächlich zu bieten hätte: Uns Mut zu machen, es nochmals zu versuchen. Ich bin mir nicht sicher, ob wir «Humor» als neues Unterrichtsfach an der Fachhochschule einführen sollten. Aber ganz sicher, dass wir es nicht tun sollten, bin ich auch nicht. Vielleicht sollten wir es einfach mal machen und dann, wenn es kläglich scheitert, gemeinsam darüber lachen und schauen, wie uns dieser Irrtum weitergebracht hat. - Und falls es doch nicht scheitert … das fände ich zumindest dann auch ganz witzig.


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Sonntag, 8. März 2020

Whywashing

„Whywashing“ ist ein Modebegriff, der aus den USA zu uns herüberschwappt. Er bezeichnet den missbräuchlichen Einsatz eines höheren Zwecks, um ein positives öffentliches Image zu erreichen. Es ist eine Abwandlung des eher bekannten «Greenwashing», was bedeutet, dass man eigene Produkte oder das ganze Unternehmen als möglichst «grün», also so umweltfreundlich wie möglich präsentiert.

 [So viel Selbstlosigkeit! Mir kommen die Tränen!]

Im Falle des «Whywashings» stellt man das Unternehmen als «sinnvoller» dar als es ist, man lässt es so aussehen, als diene es in erster Linie einem selbstlosen, höheren Zweck. Selbstverständlich tut man solches, ohne einfach platt zu lügen, sofern das möglich ist … aber meistens ist es schwierig und dann geht es auch so.
Dass der Mensch ein nach Sinn strebendes Wesen ist, ist längst bekannt. Aktuelle Forschungen der Positiven Psychologie haben deutlich gezeigt, dass Sinn - oder eben ein höherer Zweck - ein mächtiger Treiber ist für gute Leitungen von Mitarbeitenden, insbesondere in kreativen Berufen. Ebenso bei Teamarbeit, denn da versagen traditionelle Anreize, weil sich die Gesamtleistung schlecht auf einzelne Beiträge zurückführen lässt. Es ist nun nichts dagegen einzuwenden, wenn Führungskräfte mit Mitarbeitenden darüber zu sprechen, worin diese den höheren Sinn ihrer Arbeit sehen und wenn sie gelegentlich darauf Bezug nehmen. Im Gegenteil, das ist eine gute Sache. Es fördert nämlich gleichermassen die Arbeitsleistung wie die Arbeits­zufriedenheit.
Nun gibt es aber eben auch missbräuchliche Praktiken. Im Zeitalter des Fachkräftemangels ist zu befürchten, dass Missbräuche nicht allzu rasch verschwinden, selbst wenn sie nicht wirken. Darum hier eine kleine Typologie des Schwindelns mit der Sinnhaftigkeit.
1 ) Mitgefühl predigen und egoistisch Handeln: Ein sinnorientiertes Unternehmen will ein höheres Ziel verfolgen.  Da passen hohe Boni für Manager nicht in Bild. - Sie passen im Grunde auch bei rein profitorientierten Unternehmen nicht ins Bild, da sie viel kosten, aber kaum wirksam sind, wie Studien um Studien belegen, aber das ist eine andere Geschichte.
2) Sinn-motivierte Leute rekrutieren, diese aber dann auf Umsatz trimmen: Auf dem hart umkämpften Arbeitsmarkt geben sich Unternehmen gerne als sinnstiftende Organisationen. Das zieht junge und motivierte Menschen an. Worauf es dann aber tatsächlich ankommt, wenn man mal eingestellt ist, ist eine andere Frage. In sinnorientierten Unternehmen werden Umsatz und Gewinn stets als notwendig, aber keineswegs als hinreichend betrachtet.
3) Sinn als Schönwetter-Strategie: Ein hehres Ziel wird wohl verfolgt, aber sobald es finanzielle Schwierigkeiten gibt, ist davon nicht mehr viel übrig. In der Krise erst zeigt sich, wer es ernst meint.
4) Sinn als Privileg: Projektleitende und höhere Angestellte können gut in Kontakt mit dem höheren Zweck einer Unternehmung gebracht werden, wenn diese sich eine entsprechende Strategie auf die Fahne schreibt. Aber was ist mit den Mitarbeitenden in der Fabrikhalle, im Call Center und in der Versandabteilung? Sinn, der nur als Privileg für höhere Mitarbeitende gelebt wird, ist wenig sinnvoll.
5) Sinn als heisse Luft: Einem höheren Zweck zu dienen klingt gut. Aber was ist der konkrete Beitrag? Wie gross ist er? Wer hier nur nebulöse Antworten geben kann, wie zum Beispiel „we  create a better world“, missbraucht den höheren Zweck. Sinnorientierte Unternehmen messen den Beitrag zu dem Ziel, das sie anstreben auf verbindliche Art. Und sie sind offen für bessere Messmethoden, selbst wenn diese sie weniger erfolgreich aussehen lassen.
Was ich mich manchmal frage ist, was der höhere Sinn des Kolumnenschreibens ist. Kann man damit die Welt besser machen? Oder lustiger? Oder wenigstens einen Hauch tiefsinniger? Vielleicht sind die Gründe fürs Scheiben einer Kolumne aber doch banaler und weniger hehr als ich wahrhaben möchte. Wenn ich mir dann trotzdem Sinnhaftigkeit einrede, dann könnte man es wohl «Whyshing» nennen, aber in diesem Fall wäre es einfach guter alter Selbstbetrug.

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Montag, 3. Februar 2020

Einsamkeit


Einsamkeit ist ein schillernder Begriff, weil er verschiedene Bedeutungen hat. Wir alle waren schon einmal einsam und es war wohl kaum besonders angenehm. Aber Einsamkeit kann durchaus positiv sein, denn Einsamkeit steht ja auch für einen Seelenzustand der Besinnung und Entspannung. Man sucht die Einsamkeit, um sich vielleicht über Lebensfragen klar zu werden, oder um die Leere zu geniessen, weil man vorher zu viel Trubel hatte.

[Die Einsamkeit wohnt nicht im Altersheim, sondern gleich neben Ihnen.]

Aber natürlich ist mit Einsamkeit meist ein unangenehmer seelischer Zustand gemeint, nämlich das Gefühl, dass soziale Beziehungen fehlen. Das Vorkommen dieses Zustands wird als zunehmendes gesellschaftliches Problem wahrgenommen. Dass in England ein Ministerium für Einsamkeit geschaffen wurde, unterstreicht diese Perspektive. Tatsächlich hat der Anteil der Personen, die sich nie einsam fühlen in der Schweiz zwischen 2002 und 2017 von 70% auf 61% abgenommen. Allerdings waren bereits 1997 nur 64% nie einsam. Es ist objektiv also schwer zu entscheiden, ob es einen langfristigen Trend zur Einsamkeit überhaupt gibt.


Einsamkeit wird primär mit dem Alter in Verbindung gebracht. Das ist aber nur ein kleines bisschen richtig. Oder deutlicher gesagt: Es ist fast komplett falsch. Damit wir uns gut verstehen: Soziale Kontakte zu erhalten ist im Alter schwieriger, weil Gleichalterige nicht mehr da sind und die eigene Mobilität oft eingeschränkt ist. Das soll nicht in Abrede gestellt werden. In den Daten der schweizerischen Gesundheitsbefragung zeigt sich das aber kaum: Bei den Männern wie bei Frauen sind diejenigen über 65 die am wenigsten einsame Altersgruppe. Ja, richtig gelesen: Am wenigsten. Das will so gar nicht dem Bild entsprechen, das wir uns aus der Zeitungslektüre gemacht haben. Die Erhebungen sind aber eindeutig und an der Stichprobengrösse kann es nicht liegen - über 20’000 Personen wurden befragt: Einsamkeit nimmt im Laufe des Lebens fast kontinuierlich ab, erst in der höchsten Altersgruppe ab 75 dreht sich dieser Trend. Bei den Männern nur geringfügig, bei den Frauen deutlicher: Im Alter von über 75 sind 6% der Frauen «ziemlich oft» oder «sehr oft» einsam, bei den Männern sind es 3%. Der Unterschied ist leicht nachzuvollziehen, weil Frauen ja länger leben. Im hohen Alter verlieren Sie folglich viel eher Ihren Ehemann als gleichaltrige Männer ihre Ehefrau. Für Betroffene ist das heftig und verdient sicher unsere Aufmerksamkeit. Es gibt allerdings andere, einflussreichere Faktoren. Der Anteil der «ziemlich oft» oder «sehr oft» Einsamen ist nämlich über 7% bei Ausländern, bei bildungsfernen Menschen und bei solchen, die in der Romande oder im Tessin leben. Diese Zusammenhänge schaffen es allerdings selten in die Schlagzeilen.
Ein wichtiger Unterschied ist, ob man objektiv gesehen sehr wenige soziale Kontakte hat, oder ob man unter vielen Menschen einsam ist, etwa am Arbeitsplatz. Hier sind die betrieblichen wie auch die psychischen Kosten von Einsamkeit erheblich. Denn einsamere Mitarbeitende engagieren sich gemäss Untersuchungen weniger für das Unternehmen, leisten in den Augen der Vorgesetzten weniger, werden von anderen als weniger kontaktfreudig beurteilt und bieten von sich aus seltener Hilfe an.  Der letzte Punkt scheint interessant, denn wäre es nicht ein guter Weg aus der Einsamkeit, indem man anderen hilft? – Schon, aber es ist nicht so einfach. Einsamkeit unterliegt einer Dynamik. Zunächst ist Einsamkeit ein gesundes Alarmsignal, das uns die Nähe von anderen suchen lässt. Wenn das aber während längerer Zeit nicht gelingt, dann nimmt die Fähigkeit, soziale Beziehungen aufzubauen ab. Dabei sind Einsame nicht grundsätzlich weniger sozial kompetent. Sie nehmen aber mit der Zeit soziale Bedrohungen intensiver wahr und erinnern sich besser an solche. Es ist wie eine Bewegungseinschränkung, die nach einem Sportunfall bestehen bleibt, obwohl alles gut verheilt. Dort braucht es Physiotherapie. Hier braucht es ebenfalls Hilfe von aussen, damit einsam gewordene Menschen nicht in einer Spirale der Einsamkeit gefangen bleiben. -  So stellt sich die Frage, was man denn tun kann.
Können Sie heute jemandem helfen, sich weniger einsam zu fühlen bei der Arbeit? Können Sie für jemanden, dem es vielleicht guttun würde, für einen Moment echtes Wohlwollen und Interesse aufbringen? Und falls ja, wie und wo haben Sie das gelernt? Ich denke, die Antworten auf diese Fragen weisen uns den Weg in eine weniger einsame, in eine gemeinsame und «inklusive» Zukunft. Aber vor allem müssen wir den Mut finden und einen ersten kleinen Schritt auf jemanden zu gehen. Wissen Sie schon, auf wen?


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