Montag, 8. August 2022

Dankbarkeit

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Bei meiner Frau wurde vor einem Jahr Brustkrebs diagnostiziert. - Für den Fall, dass Sie bisher von persönlichem Kontakt mit dem Thema Krebs verschont geblieben sind, gebe ich Ihnen ein Briefing: Wenn Ärzt*innen sagen, die Aussichten seien «gut», dann heisst das womöglich, dass bei dieser Diagnose nach 5 Jahren noch 80% am Leben sind. Das ist, wenn wir ehrlich sind, «nicht so gut». Wer würde schon freiwillig in eine Achterbahn einsteigen, wenn jedes fünfte Wägelchen bei der ersten scharfen Kurve aus der Bahn fliegt? Eben. Darum beginnt hier die erste Übung in Dankbarkeit. Es könnte schlimmer sein. Es könnte ein aggressiver Darmkrebs sein, da wären die Chancen schlechter. Solche Gedankenspiele machen wohl alle. Oder zumindest alle, die wie ich, nicht direkt betroffen sind. Grund für Dankbarkeit zu sehen ist das eine. Etwas anderes ist es, in einer solchen Situation, Dankbarkeit zu empfinden.

Ob mir das gelingt, hängt vielleicht damit zusammen, wie sehr ich Dankbarkeit in meinem Leben bisher kultiviert habe. Meine Voraussetzungen dazu waren, sagen wir mal, gemischt. Einerseits bin ich in einer Familie aufgewachsen, in der es nicht unüblich war, Dankbarkeit auszudrücken. Andererseits war das Thema Dankbarkeit für mich auch «vermintes Gelände». Mir ist erst im Erwachsenenalter klar geworden, dass Dankbarkeit für mich vor allem eine Emotion war, die man vorzutäuschen hat, wenn Tanten einem etwas zu Weihnachten schenken, das einem nicht gefällt. Bei meiner eigenen Rolle als Vater habe ich gemerkt, wie seltsam es sich anfühlte, meinen Kindern zu sagen, sie sollen sich bedanken. Wie sollen sie Dankbarkeit lernen? Nachdem die «säg schön Danke»-Methode bei mir bereits grandios gescheitert war, musste ich mir etwas anderes einfallen lassen. Vorleben wäre etwas. Das war allerdings gar nicht so einfach. Schliesslich fing ich an, mich konsequent bei meiner Frau zu bedanken, wenn meine Kinder zugegen waren. Für Kleinigkeiten, für eine Handreichung, für eine gute Idee, fürs Kochen. Nie geheuchelt, nur wenn ehrlich empfunden. Nach einigen Wochen war nicht der geringste Erfolg bei meinen Kindern erkennbar. Aber ich merkte, dass es mir selbst gut tat. Und der Beziehung mit meiner Frau auch. Ich beschloss, das neue Verhalten beizubehalten, egal ob die Kinder zuhörten oder nicht. Ein paar Jahre später stellte ich dann fest, dass in unserer Familie nie jemand einen Topf mit Essen auf den Tisch stellt, ohne dass sich die andern bedanken.

Das ist lange her. Als ich dann anfing, mich mit Positiver Psychologie zu beschäftigen, kam die Frage erneut aufs Tapet, wie man Dankbarkeit lernen kann. Die Antwort der Positiven Psychologie war, man solle einer Person einen Dankesbrief schreiben, der man wirklich dankbar ist. Das hat mir sehr eingeleuchtet, getan habe ich es allerdings nicht. Eine Weile später kam mein Vater zu Besuch. Er war gezeichnet von seiner Krebserkrankung. Es war klar, dass er nicht mehr allzu lange leben würde. Da wusste ich, wem ich einen Dankesbrief schreiben würde. Es war eine intensive Übung. Ich habe viel geweint. Und ich bin sehr froh, dass ich meine Dankbarkeit ausdrücken konnte, solange er noch gelebt hat.

Bei meiner Frau ist die Situation sehr anders. Bei ihr sind die Prognosen wie gesagt «gut». Aber wenn mich jemand fragen würde, was mir am meisten geholfen hat, mit der Situation umzugehen, dann wäre das meine Antwort: Meine Dankbarkeit. Dass ich das Geschenk, sie als Lebenspartnerin zu haben schätze, und das immer wieder sage und zeige. - Ist das sentimental? Wer weiss. Aber die Positive Psychologie weist uns auf folgende einfache Erkenntnis: Dankbarkeit kann man lernen und man lernt sie am besten, indem man sie ausdrückt, wenn man sie empfindet.

(Übrigens: Dankbare Manager sind bessere Manager. Aber das ist hier nur ein Nebenschauplatz.)


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