Mittwoch, 10. Februar 2021

Zukunft der Krise

Welches ist die Bedeutung der Pandemie in Zukunft? – Schwer zu sagen. Klar ist, dass man diese Frage nicht so anpacken sollte: Nimm ein, zwei, drei Dinge, die dir im Moment besonders auffallen, vergrössere sie und sag, das sei unsere Zukunft. Diese Methode ist allerdings beliebt. Wahrscheinlich, weil sie so bizarre und schaurig-schöne Zukunftsvisionen hervorruft, dass der Schwachsinn wenigstens Unterhaltungswert hat. Wie man es denn richtig machen soll, ist schwer zu sagen. Vielleicht so:

Wenn die Arbeitslosigkeit steigt, wird man das mit Corona begründen. Vor allem die strukturelle Arbeitslosigkeit: Während viele Jobs offen sind, bleiben viele Arbeitswillige stellenlos. Die Umschulung zur IT-Fachperson ist halt nicht für alle eine ergreifbare Option. Aber auch das Offshoring: Wer vom Homeoffice aus arbeiten kann, kann das auch, wenn sich selbiges in Indien befindet. - Nichts davon ist neu, aber es wird leicht zu sagen: Wegen Corona.

Wenn sich der internationale Standortwettbewerb verschärft und Unternehmen vermehrt die Nähe zu einer guten Universität suchen, wird die Qualität von Universitäten plötzlich zum Politikum. Weil gute Forschende sich eher einer Community verpflichtet fühlen als einer einzelnen Uni, wird die Mitgliedschaft in internationalen Kooperationen matchentscheidend. Eine abwehrende Haltung gegenüber der EU und Wirtschaftsfreundlichkeit lassen sich kaum mehr vereinbaren. - Politische Verschiebungen hat es immer gegeben, aber man wird sagen: Wegen Corona.

Wenn rückläufige Anmeldezahlen an Pädagogischen Hochschulen den akuten Lehrermangel zu verschärfen drohen, wird man Schuldige suchen. Wenn es gleichzeitig innovative private Institutionen gibt, welche Lehrpersonen offenbar mindestens ebenso gut ausbilden wird der Druck erhöht, deren Absolvierende als gleichwertig zu anerkennen. - Wer will auf eine schöne Ausrede verzichten, wenn man behaupten kann: Wegen Corona?

Wenn die Einkommensungleichheit weiter zunimmt, muss man bei einer weiteren Verschärfung erhebliche Unruhen befürchten. Dann kommt das bedingungslose Grundeinkommen erneut aufs Tapet. Vielleicht gibt es bis dann eine Studie, die zeigt, dass es finanzierbar ist, sofern dessen Höhe vom Bruttosozialprodukt des Vorjahres abhängig gemacht wird. Dann wird es vielleicht sogar angenommen. – Da hätte wohl zumindest teilweise recht, wer sagt: Wegen Corona.

Werden diese «Prognosen» eintreffen? Vermutlich nicht. Aber wenigstens berücksichtigt dieser Einordnungsversuch langfristige Entwicklungen und verschiedene Perspektiven. Das ist hilfreich. Allerdings nur, sofern wir es intellektuell und retrospektiv angehen wollen und nicht auf eine Art, die wirklich einen Unterschied macht. Nämlich indem wir uns fragen: Welche Chancen bietet uns die aktuelle Situation, um Gutes zu tun? – Das ist im Grunde die einzig richtige und wichtige Frage. Das Problem damit ist nur, wenn wir sie ernsthaft stellen, dann müssten wir Farbe bekennen. Wir müssten uns festlegen, was für uns das «Gute» ist, wir müssten handeln. Wollen wir Verantwortung übernehmen? Diese Frage stellt sich immer. Unabhängig von Corona. Lediglich die Antwort darauf, kann in oder nach einer Krise anders ausfallen. Denn jede Krise enthält die Aufforderung, unsere eigene Perspektive zu ändern. Ob wir dieser Aufforderung Folge leisten, ist entscheidend. Denn nur damit können wir die Bedeutung der Pandemie und sogar die Zukunft ein stückweit selbst bestimmen.


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Übrigens: Zur Frage, was das Gute ist und wie man es anpacken könnte, gibt es nicht nur Meinungen, sondern einiges an wissenschaftlicher Literatur. Wer mehr wissen möchte, kann sich hier schlau machen:

Praxishandbuch Positiv Führen SKV 

Fachkurs Positive Leadership BFH

Digitaler Mindset dank Lockdown




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