Unter
„Mitarbeiterzufriedenheit“ - oder politisch korrekt, aber holpriger: „Mitarbeitendenzufriedenheit“
- versteht man in der Praxis meist einen Index, typsicherweise auf der Skala
von 1-10, der die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden wiedergeben soll. Er
wird von grossen Arbeitgebern regelmässig erhoben und nicht selten mit Spannung
erwartet, etwa nach einer Reorganisation oder einem Führungswechsel. Eigentlich
schön, dass sich Vorgesetzte so um ihre Mitarbeitenden kümmern, dass sie die
Kosten nicht scheuen und auch unangenehmen Wahrheiten ins Gesicht schauen
wollen. Nur leider steigt mit der Erhebung der Mitarbeiterzufriedenheit selbige
nicht automatisch an. Hier sind vier geläufige Schritte, wie man es als
Unternehmensleiter oder Personalchef falsch machen kann.
[Die Befragung trägt nichts zur Zufriedenheit bei - ausser...]
Erstens. Bei der Umfrage
kommt heraus, dass 18% der Mitarbeitenden unzufrieden und 9% sehr unzufrieden
sind. Publizieren Sie diese Zahlen intern und kommentieren Sie: „Ich bin stolz
darauf, dass doch 73% unserer Mitarbeitenden zufrieden oder sogar sehr
zufrieden sind“. Beweisen Sie damit, dass Sie selbst in peinlichen Situationen
noch positiv denken können. Zeigen Sie damit aber auch Pragmatismus, indem Sie
Probleme verharmlosen, von denen Sie nicht wissen, wie man sie anpacken sollte.
- Zweitens. Befragen Sie die Mitarbeitenden auch gleich nach den Ursachen ihrer
Zufriedenheit oder Unzufriedenheit. Stellen Sie dabei fest, dass viele gerne
mehr Lohn hätten. Beklagen Sie, dass der Markt leider nicht mehr hergibt. Und
setzten Sie dann die ersehnte Lohnerhöhung trotzdem um, allerdings nur für das
höhere Kader. Begründen Sie Ihre Massnahmen mit den Marktkräften. Es klingt
gut, stützt Ihre Autorität und man kann es kaum widerlegen. - Drittens. Es
kommt dabei heraus, dass in der Abteilung B die Werte niedriger sind als in den
übrigen Abteilungen. Versuchen Sie das geheim zu halten aus Rücksicht auf den
betreffenden Abteilungsleiter. Ignorieren Sie die Tatsache, dass in Ihrer Firma
ohnehin jeder weiss, dass die Stimmung in dieser Abteilung schlecht ist. Führen
Sie mit dem Leiter der Abteilung B ein vertrauliches Gespräch, das zwar zu
nichts führt, aber immerhin können Sie nachher sagen, Sie hätten es versucht. -
Viertens. Machen Sie eine unglaublich komplizierte Statistik. Stellen Sie dann
fest, dass es zu kompliziert ist und lancieren Sie ein Projekt zur
Vereinfachung der Kennzahlen, für das Sie hochqualifizierte Spezialisten
einstellen. Wundern Sie sich, dass Sie viel Geld fürs Personal ausgeben,
selbiges aber partout nicht dankbar dafür sein will.
Falls Sie der Meinung sind,
diese Schritte seien bereits zur Genüge ausprobiert worden, sind hier noch zwei
Schritte, wie man es besser machen kann. Erstens. Unterscheiden Sie bei der
Befragung verschiedene Arten der Arbeitszufriedenheit. Zum Beispiel: Zufrieden,
weil resigniert und damit abgefunden. Zufrieden, weil eigentlich ist es
schlecht, aber es wird sicher bald besser. Zufrieden weil man sich für das
Unternehmen engagieren kann. Oder zufrieden, weil es keine Vorschriften gibt
und jeder tun und lassen darf, was er will. Verwenden Sie je nach Kontext
vielleicht doch lieber wissenschaftliche Bezeichnungen für diese verschiedenen
Arten von Zufriedenheit, aber führen Sie auf jeden Fall Gespräche mit
Mitarbeitenden und Führungskräften darüber, welche Art von Zufriedenheit in
Ihrer Firma erwünscht ist und was zu tun wäre, um sie zu erreichen. Und dann:
Tun Sie mindestens versuchsweise, was Ihnen die Mehrheit jener Mitarbeitenden
rät, die Sie allgemein für engagiert und kompetent halten; selbst wenn Sie
nicht ganz überzeugt sind. – In kleinen Firmen macht es Sinn, auf teure
Erhebungen zu verzichten, wenn Sie im Gegenzug umso intensiver mit den
Mitarbeitenden darüber sprechen, was sie brauchen, um einen guten Job zu
machen. Ob sie jemanden haben in der Firma, dem sie wirklich vertrauen. Ob sich
jemand um ihre Entwicklung kümmert. Wann sie das letzte Mal Anerkennung für
ihre Arbeit erhalten haben und warum. Was sie von der Arbeitseinstellung der
Kollegen halten und ob die strategischen Unternehmensziele für sie Sinn ergeben.
- Hören Sie darauf, was man Ihnen sagt. Falls Sie dann später die
Mitarbeiterzufriedenheit doch noch erheben wollen, können Sie sicher sein, dass
diese ihr Gespür bestätigen wird. Und nutzen Sie sie vor allem, um zu
entdecken, was gute Führungskräfte richtig machen und um ihnen dafür
grosszügig Anerkennung zu geben. Dann werden die motivierenden Führungskräfte zu
Vorbildern für die anderen. So würden Mitarbeiterbefragungen schliesslich doch dazu beitragen,
Mitarbeitende zufriedener zu machen.
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