Während meines Studiums vor über 30 Jahren, war eine berühmte Persönlichkeit für ein Gastreferat in der Aula eingeladen. Der Publikumsandrang war gross, die Aula bald gefüllt und so wurde das Referat (bereits damals) in einen anderen, nahegelegenen Hörsaal live übertragen. Ich gehörte zu denen, die gerade noch einen Platz in der Aula ergattern konnten. Allerdings reichte es mir nicht mehr, vorher die Toilette aufzusuchen. Nach einer Weile musste ich die Aula zwangsläufig kurz verlassen und als ich wieder an meinen Platz wollte, liess mich das Sicherheitspersonal nicht mehr hinein. Ich musste im anderen Hörsaal den Rest des Referats hören. Als ich diesen Hörsaal betrat, war ich überrascht. Es herrschte da eine völlig andere Stimmung als in der Aula. In der Aula war es mucksmäuschen still gewesen und alle hatten andächtig dem Referat gelauscht. Hier aber gab es Getuschel und Gemurmel, es gab halblaute Kommentare, jemand streckte seine Schuhe aufs Pult, jemand mampfte ein Sandwich. Ich habe mich gefragt, was wohl diesen Unterschied ausmachte - und hatte bereits damals die Vermutung, dass der Blickkontakt eine wichtige Rolle spielt.
Was ich aufgrund eines Missgeschicks erlebt habe, hätte eine
experimentelle Versuchsanordnung für den Unterschied von virtueller und tatsächlicher
Präsenz sein können. Mittlerweile haben wir damit alle Erfahrung, Corona sei
Dank. Und doch scheint mir der Unterschied nicht völlig geklärt. Darüber lohnt
es sich nachzudenken.
Was ich an virtuellen Meetings oft schmerzlich vermisse, ist tatsächlich der
Blickkontakt. Wenn wir nur zu zweit sind, mag ich es verschmerzen, denn ich
kann mich auf andere Weise nah und verbunden fühlen. Aber wenn wir eine handvoll
Leute sind, ist der fehlende Blickkontakt manchmal eine Katastrophe. Ein
Kollege, der wieder einmal überlange Monologe hält, kann nicht mittels
elegantem Blickkontakt an die Perspektive der Zuhörenden erinnert werden.
Unelegantere Formen des Unterbrechens sind nötig, und es dauert länger, bis
jemand sich entschliesst, diese einzusetzen. Bei Spannungen im Raum lässt sich
nicht durch Verfolgen der Blicke abschätzen, was eigentlich abläuft. Und bei
einer hyperaktiven Führungsperson lässt sich nicht per Blickkontakt mit
Kopfbewegung aushandeln, wann es Zeit ist und wer heute an der Reihe ist, sich unbeliebt
zu machen und den Chef zu bremsen.
Und, wenn ich’s mir recht überlege, ist es online auch zu
zweit sehr schade, dass es den Moment nie gibt, wo wir uns gegenseitig in die Augen
sehen. Tatsächlich zeigt sich in Studien, dass wir Dinge besser erinnern, wenn
die erzählende Person Blickkontakt mit uns hat. Und dass wir die erzählende Person
eher mögen. Und dass wir sie eher als aufrichtig einstufen - vermutlich, weil Personen,
die etwas zu verbergen haben, dem Blickkontakt eher ausweichen. Sogar die
Hirnwellen scheinen sich zu synchronisieren, wenn Blickkontakt stattfindet. Das
zu messen ist eine ziemlich technische Angelegenheit, das praktisch zu erleben
hingegen ist emotional. Eine Forscherin, die sich damit befasst hat, Barbara Fredrickson,
bezeichnet die Momente des gegenseitigen Blickkontakts als «micro moments of love». Und das ist durchaus wörtlich gemeint, wenn auch nicht auf Liebe im
engeren Sinn bezogen, wie bei einem Augenflirt oder in Humphrey Bogarts
berühmten «Schau mir in die Augen, Kleines», sondern es bezieht sich einfach auf
eine Beziehung, die weniger oberflächlich, echter und warmherziger wird als
üblich.
Ich glaube, wenn wir emotional nährende Beziehungen am Arbeitsplatz fördern wollen, dann ist das eine Erkenntnis, der wir tief in die Augen schauen sollten.
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